Geschöpft aus tiefen Brunnen
Neue Musik, Naturschauspiele und die Überwindung von Klischees: Am Donnerstag eröffnete das 20. Klangspuren-Festival in Schwaz.
Von Armin Berger
Schwaz –Erstmals zeichnet Matthias Osterwold für die künstlerische Leitung der Klangspuren verantwortlich. Mit ihm tritt das Festival in eine neue Phase ein: Zuvor eher Panoptikum des internationalen Neue-Musik-Betriebs, ist es nun durch ein klares Programm konzeptioniert. Der Titel „Neue Musik und romantisches Erbe“ scheint nur auf den ersten Blick provokant, greift er doch das allgemeine Klischee von der Neuen Musik an, in der radikale Abkehr von Tonalität und Methoden der Vergangenheit bestehen. Osterwolds erstes Festival blickt auch tiefer als das Klischee der „Romantik“ von „heimeliger Flucht ins Gefühl“: Romantik war eine Epoche, in der es der Kunst um Aufklärung, Sehnsucht, Ironie und Paraphrase ging. Gleich zwei Konzerte zu Beginn: Zunächst verband das „Konzert für 12 Traktoren“ von Sven-Åke Johansson die Ironie des „Instrumentariums“ der PS-Giganten Söllandl mit romantischem „Naturschauspiel“ stürmisch-nasskalten Wetters vor der Pfarrkirche. Schlüssig war das Eröffnungskonzert im Silbersaal Schwaz: Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, akkurat von Johannes Kalitzke geleitet, spielte Friedrich Cerhas „Paraphrase über den Anfang der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven“, Dieter Schnebels „Schubert-Phantasie – Re-Visionen I,5“ und Aribert Reimanns „Sieben Fragmente für Orchester (in memoriam Robert Schumann)“. In allen Stücken ging es um die Umsetzung eines bestehenden Werkes in den Kontext des heutigen Stilbereichs. Uraufgeführt wurde zudem von Carola Bauckholt „Brunnen“ für Violoncello und Orchester mit dem Solisten Francesco Dillon.
Cerha schöpfte die Möglichkeiten farblicher Orchestrierung voll aus, arbeitete motivisch mit den Elementen und erreichte mit Übergängen ein geschlossenes Ganzes. Bauckholt spielte mit dem Geräusch eines gurgelnden Brunnens, das sie auf ein Orchester übertrug. Durch viel Glissando, teils mit Joghurtgläsern und Wäscheklammern verfremdet, erzeugte sie dahinplätschernde, teils amüsierende Klänge. Schnebel lotete die Wirkung von An- und Entspannung aus: Er ließ Klänge aneinander reiben, wodurch komplexe Schichten großer Spannung entstanden. In diese spektralen Verschiebungen bettete er behutsam Zitate Schuberts. Reimanns versteckte in sperrig dichten Klangungetümen Einsprengsel von Schumann.