Film und TV

Ein letztes Paradies für Terroristen in Frankreich

Michaël Youn attackiert in „Vive la France“ Vorurteile und politische Tabus, bedient aber auch so manches Klischee aus den 50er Jahren.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Für den britischen Komiker Sacha Baron Cohen war 2006 die Eroberung Kasachstans für seinen Film „Borat“ ein Marketing­clou, denn die Regierung des zentralasiatischen Landes lieferte mit Protestnoten weltweit Schlagzeilen zum Kinostart und perfektionierte „die kulturelle Lernung“.

Der französische Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Michaël Youn wollte diesen Auseinandersetzungen für seinen Film „Vive la France“ aus dem Weg gehen, weshalb seine Geschichte vage in Taboulistan beginnt. Das Land spielt mangels Bodenschatz keine geopolitische Rolle, doch der Diktator verlangt nach internationaler Wahrnehmung, die nur über terroristische Attacken möglich zu sein scheint. Die beiden Schafhirten Muzafar (José Garcia) und Feruz (Michaël Youn, deutsche Stimme: Kaya Yanar) tun sich in besonderer Weise bei der Ausübung lokalen Brauchtums hervor, wenn es darum geht, Frauen zu schlagen. Als Selbstmordattentäter sollen sie ein Flugzeug entführen und mit dem Eiffelturm das Wahrzeichen der Franzosen zerstören. Kompliziert wird das Unternehmen durch Sonderwünsche der Terroristen. Statt der 70 Jungfrauen wünschen sie sich erfahrene Frauen im Paradies. Solche Details erklären im weiteren Verlauf der Handlung das Komikprinzip, da Michaël Youn einfach jedes Klischee in das Gegenteil verkehrt. Nach einem Schiffsunglück werden die tapferen Hirten an Land gespült und erwachen in einem FKK-Camp, wo sie der Bestrafung für die erotische Hybris im Paradies entgegensehen. Das sieht alles so aus wie in einem Herrenmagazin aus den 50er Jahren. Dabei folgt „Vive la France“ einer politisch noch immer aktuellen Grundidee: „Frankreich gibt es nicht“.

Das Flugzeug muss in Korsika notlanden und die beiden Terroristen müssen sich auf eine mühsame Odyssee durch Provinzen und Regionen begeben. Von den korsischen Separatisten werden die nackten Taboulisten mit Wäsche ausgestattet, doch in Marseille ist ein Fußballtrikot aus Paris schon wieder Kriegserklärung und Todesurteil. Im Krankenhaus wird, statt die Wunden zu behandeln, eine Nierenspende genommen. Für die Fremdenpolizei stammen Muzafar und Feruz aus dem Irak. Nur die TV-Journalistin Marianne (Isabelle Furnaro) erkennt in den Fremden auch Menschen. Nach einem Bummel durch die Jahrmarktbuden zum Nationalfeiertag offeriert Marianne das größte Geheimnis der französischen Eigenheiten. Ménage-à-trois, sagt die Reporterin zu den Hirten in der deutschen Fassung. Feruz sieht endlich den Eingang zum Paradies und sagt „zu dritt menascht sichs schneller“, was immer das Wortspiel bedeutet. Die Pointe wird am Morgen nachgeliefert.

In Frankreich versuchte sich „Vive la France“ im Vorjahr mit einem patriotischen Finale (französische Lebensart besiegt das Böse) an Dany Boons Kassenerfolge („Willkommen bei den Sch’tis“) anzuhängen, zwei Millionen Franzosen haben den Lachbefehl befolgt. Für die deutsche Fassung gilt, es darf zwar gelacht, aber nicht nachgedacht werden.