EU

Noch keine große Angst vor den Anti-Europäern

Die antieuropäischen Rechtspopulisten wollen auch im Europaparlament mehr Macht. Noch hält sich die Angst der Pro-Europäer in Grenzen.

Von Christian Jentsch

Brüssel –Immer wieder hat es Versuche von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien gegeben, auch in Europa ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Wegen interner Konflikte und einer fehlenden einheitlichen politischen Linie waren solche Bündnisse auf europäischer Ebene freilich meist zum Scheitern verurteilt. Im Herbst 2010 wurde die „Europäische Allianz für Freiheit“ (EAF) gegründet, die sich als Plattform versteht. Das Ziel: das gemeinsame Aufreten gegen mehr europäische Integration. Im Europaparlament selbst sind diese Parteien freilich nicht in einem Verbund geeint. Die Abgeordneten sitzen als Fraktionslose im EU-Parlament und spielen im politischen Gefüge Brüssels eine untergeordnete Rolle.

Das soll sich nun ändern. Angespornt durch Wahlerfolge rechtspopulistischer, europakritischer Parteien auf nationaler Ebene strebt die FPÖ eine gemeinsame Fraktion mit anderen Rechtsparteien im EU-Parlament an. „Beim Aufstieg der patriotischen europäischen Freiheitsparteien handelt es sich nicht um ein nationales Phänomen, sondern um eine gesamteuropäische Entwicklung“, erklärte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zusammen mit dem freiheitlichen EU-Abgeordneten Andreas Mölzer rund sieben Monate vor der Europawahl Ende Mai nächsten Jahres. Allerdings: Für die geplante EU-Rechtsfraktion fehlen noch Partner. Für die Bildung einer Fraktion im Europaparlament müssen sich 25 Abgeordnete aus sieben Ländern zusammenschließen. Als mögliche Partner nannte Mölzer die jüngst bei Regionalwahlen in Südfrankreich erfolgreiche französische Front National von Marine Le Pen, Geert Wilders niederländische PVV, den Vlaams Belang in Belgien, die Schweden-Demokraten und die italienische Lega Nord. Ein Zusammengehen mit den rechtsextremen Parteien „Goldene Morgenröte“ in Griechenland oder „Jobbik“ in Ungarn schlossen Mölzer und auch Le Pen hingegen dezidiert aus.

Neben der FPÖ und Geert Wilders, der in den Niederlanden in erster Linie durch seine islamfeindlichen Äußerungen auffällt, will vor allem die rechtsextreme Front National (FN) in Frankreich die Idee einer gemeinsamen Fraktion verwirklichen. Eine gemeinsame Fraktion würde den Rechtsparteien mehr Gewicht im EU-Parlament verleihen, derzeit seien sie nur „Halbabgeordnete“, erklärte FN-Parteichefin und Europaabgeordnete Marine Le Pen.

Der Leiter der ÖVP-Delegation und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, glaubt im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung freilich „an keinen Durchmarsch der Rechten in Europa“. Weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene. „In Österreich ist nach den Wahlen von Ende September die Anzahl von Abgeordneten proeuropäischer Parteien im Nationalrat gestiegen. Die Zweidrittelmehrheit jener Parteien, die sich der europäischen Integration verpflichtet fühlen, ist gesichert. Und in Deutschland hat es keine anti-europäische Partei in den Bundestag geschafft“, so Karas gegenüber der Tiroler Tageszeitung. „Ohne die EU sind keine Wahlen zu gewinnen und kein Staat zu machen“, lautet sein Credo.

Auch der ÖVP-Europaabgeordnete Richard Seeber glaubt nicht, dass die antieuropäischen Rechtsparteien künftig ein starke Rolle auf dem Brüsseler Parkett spielen werden. „Auch wenn sie prozentmäßig etwas zulegen sollten, wird mit ihnen weiterhin keine Politik zu machen sein“, erklärt Seeber der Tiroler Tageszeitung. „Diesen Parteien fehlt es an gemeinsamen politischen Zielen. Und um wirklich 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedsstaaten zusammenzubekommen, müssten die Initiatoren wohl auch Bündnisse mit Gruppierungen am ganz rechten Rand eingehen“, so Seeber. Entscheidend für das europäische Projekt seien vielmehr weiterhin die großen europäischen Parteifamilien wie Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne.

Othmar Karas sieht freilich noch viel Handlungsbedarf, um das europäische Bewusstsein zu stärken und den rechtspopulistischen Anti-Europäern den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Es liegt an uns, das Thema Europa nicht den Gegnern zu überlassen“, so Karas.

Denn eines ist für ihn ganz klar: „Die großen inhaltlichen Weichenstellungen wie globale Wettbewerbsfähigkeit, Bildungspolitik, Sicherheits- und Energiefragen können nur im gesamteuropäischen Kontext angegangen werden. Österreich ist bei jeder Entscheidung dabei und mitverantwortlich.“

Dass im Wahlkampf für die Nationalratswahlen in Österreich das Thema Europa so gut wie keine Rolle gespielt hat, ist für den Vizepräsidenten des Europaparlaments nicht verständlich: „Europapolitik ist Innenpolitik. Wer das nicht kommuniziert, negiert die Wirklichkeit, verhindert die Entwicklung eines europäischen Bewusstseins und lässt zwei verschiedene Welten entstehen. Doch die Parteien sind offenbar lieber den bequemeren Weg gegangen.“

Und: Europa müsse auch jetzt bei den Koalitionsverhandlungen in Österreich eine zentrale Rolle spielen, fordert der Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament. „Die Reformempfehlungen der EU-Kommission an Österreich müssen in die Verhandlungen einfließen. Jedes Verhandlungskapitel soll die Umsetzung europäischer Verpflichtungen beinhalten.“