Tiroler Ruf nach Gigaliner-Verbot
Kommen Riesenlaster auf Tirols Straßen? Die Abgeordneten des EU-Parlaments beschäftigen sich derzeit intensiv mit den EU-Plänen für Gigaliner. Tirol und Südtirol machen Front dagegen.
Von Brigitte Eberharter
Brüssel –„Die Kommission hat vorgeschlagen, dass der grenzüberschreitende Verkehr der Gigaliner möglich sein sollte. Wir drehen den Spieß um, wir wollen, dass sie verboten werden“, sagt Jörg Leichtfried, EU-Abgeordneter der SPÖ. Er war kürzlich Berichterstatter einer Diskussion, welche auch die heimischen Abgeordneten Richard Seeber (ÖVP) und Eva Lichtenberger (Grüne) mit dem Südtiroler Abgeordneten Herbert Dorfmann initiiert haben.
Der umstrittene Gigaliner ist ein Riesen-Lkw mit 60 Tonnen Gewicht und 25 Metern Länge. Es wird davon ausgegangen, dass zwei dieser Riesenlaster drei übliche Lkw ersetzen können. Trotzdem führt gerade im Alpenraum der Gigaliner zu massiven Kostenerhöhungen. Walter Pardatscher, Geschäftsführer der Brenner Autobahn AG, erklärte im EU-Parlament in Brüssel den Abgeordneten die Auswirkungen: „Die Erhöhung der Achslast um 15 Prozent bedeutet eine stärkere Belastung der Struktur der Fahrbahndecke um 75 Prozent.“
Die Haltebuchten wären zu klein, die Ein- und Ausfahrten zu kurz. Anders als in Schweden und Finnland, wo die Gigaliner hauptsächlich im Einsatz sind, handelt es sich in Tirol, Südtirol und auch in der Schweiz um Bergautobahnen, bei denen die Infrastruktur derartigen Kolossen nicht angepasst werden kann. Allein auf der Südtiroler Seite der Brennerautobahn gibt es 145 Überführungen, 131 Brücken und Viadukte sowie 30 Tunnels. So wie in Nordtirol werden auch in Südtirol große Parkplätze für Lkw geplant und gebaut. Diese sind allesamt auf die derzeitigen Maße eines Lastwagens ausgelegt und man müsste sämtliche Vorhaben stoppen.
Das wichtigste Kontra-Argument der österreichischen und Südtiroler Abgeordneten ist die Tatsache, dass man sich zu einer klaren Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene bekannt habe. Eine Problematik, die von Gigaliner-Befürwortern ignoriert wird, ist der induzierte Verkehr, meinen die Kritiker. Ein drastisches Sinken der Frachtraten auf der Straße würde nicht nur den Schienengüterverkehr gefährden, sondern auch das Gesamtverkehrsaufkommen erhöhen, weil sich dadurch Transporte rechnen würden, die bei höheren Preisen gar nicht stattgefunden hätten. Von diesem Effekt wäre vor allem die lokale Wirtschaft in strukturschwachen Gebieten in ganz Europa massiv betroffen. Auch Stephan Schmid von der Schweizer Eidgenossenschaft, zuständig für das Thema Transport, war zu diesem Vortrag eingeladen – und teilte die Befürchtungen der Abgeordneten.
Zur Sprache kam in Brüssel auch das Thema Sicherheit. Fazit: Die Topographie Österreichs ist nicht mit Ländern wie den Niederlanden, Belgien oder Dänemark vergleichbar. Steigungen im Autobahnnetz verursachen schwerwiegende Probleme im Zusammenhang mit dem Winterdienst. Auf Landstraßen und durch längere Überholvorgänge erhöht sich auch das Unfallrisiko. Bereits jetzt entfallen 13 Prozent der Unfalltoten auf Lkw-Unfälle, obwohl ihr Anteil an allen Unfällen nur bei vier Prozent liegt.