Staatsschulden in Bankbilanzen – Eine tickende Zeitbombe?
Banken in Euro-Krisenländern halten Staatsanleihen in Milliardenhöhe. Sie werden in den Bilanzen als risikolos bewertet – trotz des Schuldenschnitts von Griechenland im vergangenen Jahr. Die deutsche Bundesbank warnt vor den Risiken.
Von Hannes Breustedt
Frankfurt – Trotz aller Fortschritte bei der Euro-Krisenbewältigung bleibt eine Großbaustelle offen: Der vielbeschworene „Teufelskreis“ aus maroden Staatsfinanzen und faulen Bankbilanzen ist noch längst nicht durchbrochen. Da Staatsanleihen weiter als risikolos bewertet werden dürfen, können sich Regierungen in Zeiten knapper Kredite bei Geldhäusern mit frischen Mitteln versorgen. Werden die Märkte misstrauisch, ziehen sich Banken und Staaten gegenseitig in den Abgrund. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte dennoch vorerst nichts an der Bewertungspraxis ändern.
Bundesbank will Sonderstellung von Staatsanleihen beenden
Der Deutschen Bundesbank hingegen ist der bilanzielle Sonderstatus von Staatsschulden ein Dorn im Auge. „Um das Immunsystem der Bankenunion zu stärken, müssen wir die Vorzugsbehandlung beenden“, sagte Top-Bundesbanker Andreas Dombret kürzlich. Sein Chef Jens Weidmann legte in einem Gastbeitrag in der Financial Times nach. Es müsse eine Obergrenze für Banken geben, sich Staatsanleihen auf die Bücher zu laden, forderte der Bundesbank-Präsident.
Die Bilanzierungsregeln im Euroraum begünstigen staatliche Schulden gegenüber privaten: Obwohl hoch verschuldete Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren den Marktzugang verloren und es mit Griechenland sogar zu einem Zahlungsausfall kam, müssen Banken für Staatsanleihen bisher keine Rücklagen mit teurem Eigenkapital bilden. Dies stehe im Widerspruch zur jüngeren Geschichte, kritisiert Bundesbanker Dombret mit Blick auf die Schuldenkrise.
Die bilanzrechtliche Bevorzugung von Staatspapieren ist auch deshalb so pikant, weil viele Banken in Südeuropa Finanzspritzen der EZB in Form von Krediten an die Regierungen ihrer Heimatländer weitergegeben haben. Um zu verhindern, dass der Finanzsektor kollabiert, hatte die Notenbank den Instituten während der Krise massenhaft ultrabilliges Geld gepumpt. Die Banken finanzierten damit wiederum in großem Stil die Schulden ihrer finanzschwachen Staaten und streichen dafür üppige Zinsgewinne ein.
Das Ergebnis sind große Berge von Staatsanleihen in den Bankbilanzen. „In Spanien, Griechenland, Irland und Portugal ist die Verschuldung nicht dauerhaft tragfähig, sie wird restrukturiert werden müssen“, warnt deshalb Ökonomin Astrid Schilo von Exane BNP Paribas. Das würde bedeuten, Investoren müssten einen Teil ihrer Forderungen abschreiben. Der erste Schuldenschnitt in Griechenland vergangenes Jahr hat gezeigt, welche Folgen dies für Banken haben kann: Das Nachbarland Zypern musste gerettet werden - nicht zuletzt, weil die griechischen Staatstitel der dortigen Banken plötzlich nicht mehr viel wert waren.
EZB in der Zwickmühle
Die EZB gerät durch hohe Verflechtungen zwischen Banken und Staaten in die Zwickmühle. Mit der Bankenunion solle dieser „Teufelskreis“ durchbrochen werden, hatte Notenbankchef Mario Draghi im Sommer 2012 erklärt. Doch das Mammutprojekt ist auf halber Strecke steckengeblieben. Bisher hat man sich nur auf eine gemeinsame Bankenaufsicht einigen können. Bei der Frage, nach welchen Regeln Institute abgewickelt oder aufgepäppelt werden, ist vieles noch ungeklärt. Eine gemeinsame Einlagensicherung liegt ohnehin in weiter Ferne.
Würden Draghi und Kollegen die Sonderstellung von Staatstiteln abschaffen, könnten diese von Banken in großem Stil abverkauft werden - das würde die Zinslast für Euro-Krisenländer wieder steigen lassen. Durch den zusätzlichen Eigenkapitalbedarf dürften zudem neue Finanzlöcher bei den Geldhäusern aufgerissen werden. So lange nicht im Detail geklärt ist, wie diese gestopft werden sollen, wird die EZB sich wohl hüten, etwas an den Bilanzierungsregeln zu ändern, wie es in der Finanzbranche heißt. So ist zu hoffen, dass sich die Euro-Krise weiter entspannt, damit keine weiteren Umschuldungen wie in Griechenland nötig werden.
Hannes Breustedt arbeitet für die Deutsche Presse Agentur.