Ranzen für Experten nicht tragbar
Nicht selten schleppen Kinder in ihren Schultaschen Unterlagen mit, die fast ein Drittel ihres Körpergewichts wiegen. Eine unzumutbare Belastung, die auch von Orthopäden massiv kritisiert wird.
Von Katharina Zierl
Innsbruck –Das Wissen wiegt schwer. Zu schwer, wie der Blick auf die Waage zeigt. Schultaschen mit sieben oder sogar acht Kilogramm Gewicht sind keine Seltenheit. Und nicht nur für Kinder, die 25 Kilogramm wiegen, eine enorme Belastung.
„Es gibt die Empfehlung, dass Schultaschen maximal ein Zehntel des Körpergewichts haben sollten. In den meisten Fällen ist es aber deutlich mehr“, sagt Rainer Biedermann von der Uni-Klinik für Orthopädie. Es gebe zwar bislang noch keine konkreten Studien, die belegen, dass das große Gewicht der Ranzen sich negativ auf die kleinen Körper auswirkt. „Dass die Schultaschen aber leichter sein sollten, steht auch so außer Frage“, betont Biedermann.
Immer häufiger würden bei Schülern Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparats festgestellt, erklärt Tirols Bildungslandesrätin Beate Palfrader: „Diese Entwicklung hat viele Gründe. Die schweren Schultaschen wirken sich sicher auch negativ aus. Dass sie ein Viertel des Körpergewichts wiegen, kommt nicht selten vor.“
Es gebe ein Maßnahmenpaket, das den Beeinträchtigungen entgegenwirken soll. „Die Inhalte dieses Pakets mit gesunder Pause und mehr Bewegung sollen den Schulen immer wieder in Erinnerung gerufen werden“, betont die Landesrätin.
Was die Ranzen betreffe, müssten Eltern, Schüler und Lehrer gemeinsam darauf achten, das Gewicht zu reduzieren. „Lehrer können im Rahmen von Konferenzen abstimmen, welche Unterrichtsmaterialen die Kinder wirklich brauchen. Wichtig wäre, dass nicht jeden Tag alles mitgeschleppt wird“, sagt Palfrader. Auch die Schüler selbst sollten vermehrt darauf achten, „nur Dinge mitzunehmen, die sie wirklich brauchen“, erklärt die Landesrätin.
SP-Landtagsabgeordnete Gabi Schiessling betont ebenfalls, dass die schweren Schultaschen untragbar seien: „Wir reden immer von Prävention. Gerade im Kindesalter ist es wichtig, Maßnahmen zu setzen. Und dass zu schwere Ranzen schädlich sind, ist nur logisch.“ Schiessling hat eine diesbezügliche Anfrage an Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg gerichtet. „Es ist einfach nicht einzusehen, dass wir Warnungen von Kinderärzten und Orthopäden nicht ernst nehmen“, sagt die Landtagsabgeordnete. „Vieles könnte man heutzutage digitalisieren, damit die Kinder nicht immer die ganzen Bücher mitschleppen müssen“, erklärt Schiessling. In einem ersten Schritt müsste das Land Geld für eine Studie in die Hand nehmen: „Damit wir wissen, wie sich die schweren Schultaschen wirklich auf die Körper der Kinder auswirken und dann gezielt Maßnahmen setzen können. Im Rahmen des Unterrichts müsste noch viel mehr auf Bewegung gesetzt werden. Eine isolierte Turnstunde reicht nicht aus.“ Die richtige Haltung und entsprechende Übungen etwa müssten mit den Kindern regelmäßig geübt werden. Das sagt auch Orthopäde Biedermann: „Es muss endlich in die Köpfe hinein, dass eine Zwangshaltung schlecht ist. Lehrer sollten etwa in der Klasse hin- und hergehen, damit sich die Köpfe der Kinder bewegen.“
Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg erklärt auf Anfrage der TT, der schulärztliche Dienst trage dem Erlass des Unterrichtsministeriums aus dem Jahre 1993 vollinhaltlich Rechnung: „Es werden Informationsveranstaltungen für Lehrkörper, Erziehungsberechtigte und Schüler angeboten. Außerdem gibt es Empfehlungen für das Lehrpersonal zur Reduzierung des Gewichts der Taschen.“
Die Präventionsmaßnahmen würden verschiedene Bereiche umfassen. „Unter anderem gibt es eine genaue Abstimmung der Unterrichtstätigkeit im Lehrerteam zur Vermeidung des Transports zu großer Mengen von Unterrichtsmaterial. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf die negativen Auswirkungen des Gewichts der Taschen“, betont der Gesundheitslandesrat. Außerdem würden Schulärzte und Erziehungsberechtigte bei vermuteten Haltungsschwächen der Schüler vermehrt zusammenarbeiten, sagt Tilg.