Perfektes Spiel mit einer falschen Identität
Verraten, verkauft und hinters Licht geführt – so fühlt sich eine Hand voll Frauen von einer Psychologin. Darunter auch eine Tirolerin.
Von Miriam Sulaiman
Innsbruck –Stellen Sie sich vor: Sie kennen einen Mann seit drei Jahren. Sie chatten in unregelmäßigen Abständen miteinander. Aus dem Schreiben wird Flirten und so manches Foto ausgetauscht. Dann plötzlich eine Nachricht und die Ernüchterung: Die Person, mit der man Glück und Leid geteilt hat, ist nicht echt. Die Fotos stammen von einer anderen Person. Und es gibt auch so manch andere Frau, die der falschen Identität vertraute. Einem so genannten „Catfish“ also. Einer Person, die sich im Internet als eine andere ausgibt.
Das erlebte auch eine Tirolerin. „Normalerweise bin ich nicht so schnell beeindruckt, aber er hat es geschafft, sich über drei Jahre hinweg in mein Leben zu schleichen. Er baute seine Identität so auf, dass ich einfach überzeugt war, dass die Person echt ist“, erzählt Lena im Interview mit der TT. Sie war so sehr von dem Mann überzeugt, dass sie sogar erst dachte, dass jene, die sie vor ihm warnte – Victoria S. – ein Fake sei. Die Hamburgerin ließ aber nicht locker. „Ich habe auf dem Fotodienst Instagram beobachtet, dass er begann, mit Lena zu flirten und innige Kommentare austauschte. Da habe ich gewusst, er versucht, etwas Neues anzubahnen. Ich wollte ihn stoppen“, erzählt Victoria. Sie schrieb einen Artikel in ihrem Blog und fand weitere Frauen, die er auch im Visier hatte.
Übrigens hübsche, intelligente Frauen, die er überzeugt hatte. Aber kein Wunder. Die Frauen erzählen gleich von mehreren Identitäten, die bis ins Detail ausgetüftelt waren.
Die Online-Fotoprofile umfassten mehrere tausend Fotos. Sie beinhalteten laufend die Tätigkeiten, die das jeweilige Profil vorab angekündigt hatte. Mindestens 16 Freundesprofile waren aufgebaut – die untereinander korrespondierten und mit Freundinnen von Victoria flirteten. Genau dadurch flog das Spiel aber auf. Eine Freundin recherchierte per Meldeamt nach und brachte den Stein ins Rollen. Diese Identität versuchte noch ein Auswegsmanöver gegenüber Victoria, gab sich als ein anderer „zu erkennen“. Doch dieses Mal mussten die Profile zu schnell erstellt werden. Fehler unterliefen: etwa ein Foto aus Deutschland, auf dem amerikanische Steckdosen zu sehen waren.
Victoria wurde regelrecht zur Privatdetektivin. „Vorher gab es keinen großen Leidensdruck. Ich habe ihn zwar nicht gesehen, aber es fehlte nichts, es waren gute, schöne Gespräche. Dazu kamen Geschenke für mich und meine Kinder von mehreren tausend Euro“, erinnert sie sich.
Als sie aber die Wahrheit erfahren hatte, wollte sie dem Ganzen auf den Grund gehen und spielte das Spiel monatelang weiter. Auch die Tirolerin beteiligte sich an der Recherche. „Ich kam mir manchmal vor wie im Experiment eines Psychologieprofessors.“ Teils sollte sie Recht behalten. Ein Neon-Redakteur stellte den Mann nun zur Rede.
Er ist aber eine Sie: eine Doktorin der Psychologie, die in den Südstaaten lebt. Sie erklärte, sie fühle sich eigentlich als Mann und habe nur dort ihre wahre Identität ausleben können.
Solche Fälle sind dem Leiter des Landeskriminalamtes Tirol Walter Pupp in dieser Form unbekannt: „Wir kennen das Spiel mit falschen Identitäten von Heiratsadressen. Russische Frauen geben sich als heiratswillig aus. Da kommt die hübsche Blondine, Freundschaften entwickeln sich und irgendwann gibt es eine kranke Mutter, die Medikamente braucht, für die das Geld fehlt.“
Pupp schätzt die Dunkelziffer dieser Fälle hoch ein. Hier kann er auch nur raten: „Kein Geld an Bekanntschaften aus dem Internet überweisen, keinesfalls.“
Tipps für den Umgang mit fremden Profilen
Fakten zum Liveticker
Accounts auf Facebook, Twitter oder anderen sozialen Netzwerken kann man durchleuchten. Manche Fake-Accounts sind aber so gut gemacht, dass es nicht leicht ist sie zu erkennen. Im Gegenteil: Für die Betroffenen ist klar: Auf solch einen Account kann jeder hereinfallen. Die Betroffene Victoria S. hat es sich deshalb mit anderen Frauenzum Ziel gemacht, diese Accounts aufzudecken und dabei zu helfen, diesen auf den Grund zu gehen. Auf ihrem Blog: www.realfakes.net findet man weitere Anleitungen.
Kommunikation an sich
17:32 Uhr
• Achten Sie darauf, mit wem Sie kommunizieren. Manchmal befasst man sich mit bestimmten Menschen im Internet nur aus Höflichkeit. Es ist schön, freundlich zu sein, aber seien Sie wachsam, sobald Ihnen etwas komisch vorkommt oder unangenehm wird, wenn Sie das Gefühl haben, ausgefragt oder isoliert zu werden, meint die Bloggerin. Brechen Sie den Kontakt ab, blocken Sie die Person und sprechen Sie mit anderen darüber, ist ihr Tipp.
Beziehungselemente
17:33 Uhr
In dem Moment, in dem Sie Gefühle für einen Menschen aus dem Internet entwickeln, sollten Sie ihn so bald wie möglich treffen. Denn letzten Endes kann man sich sehr einfach in schöne Fotos, warme Worte und gute Gespräche verlieben – ob die Person einen aber im ‘echten Leben’ genauso fesselt, weißt man erst, wenn man ihr gegenüber steht, erklärt Victoria S. ausführlich.
Grundsätzliches zu Profilen
17:53 Uhr
Profile mit gar keinem Foto können genauso echt wie unecht sein. Wenn das Profil sehr viele Bilder beinhaltet, wirkt es zwar realistischer, es kann aber auch erst recht ein Fake sein. Mittels der Bildersuche auf Google (Kameraelement) können Sie Fotos hochladen und schauen, ob diese Bilder bereits anderwertig verwendet wurden, in Profilen anderer Personen auftauchen oder überhaupt so genannte Feature-Bilder von Bildagenturen sind. Schauen Sie sich die Freundeslisten an bzw. auch im Detail die Timeline. Wann wurde das Profil erstellt? Wenn die Freundschaftszahl sehr groß ist, kommentieren trotzdem nur sehr wenige und dann immer die gleichen Personen das Profil? Ist das Profil in sich stimmig? Passen die Hobbys und Likes zu der Person an sich?