Seelenwohl am Arbeitsplatz
Wenn Mitarbeiter in Zeitdruck geraten oder permanent unterbrochen werden, steigt die psychische Gefährdung am Arbeitsplatz. Die Betriebe müssen ab sofort darauf reagieren.
Von Barbara Egger
Innsbruck –Wer kennt das nicht? Man steht unter Zeitdruck, eine dringende Aufgabe steht an. Das Telefon läutet, Kollegen und Besucher gehen im Büro ein und aus und zu allem Übel hängt sich auch noch der Computer auf.
„Permanente Unterbrechungen führen dazu, dass man sich immer wieder neu einarbeiten muss. Das kostet viel Energie und Kraft. Ständige Unterbrechungen werden manchmal in ihrer Belastungswirkung unterschätzt“, weiß Martin Unterkircher. „Aus der Forschung wissen wir, dass körperliche und psychische Erkrankungen, aber auch Unfälle mit psychischen Belastungen zusammenhängen“, so der Arbeitspsychologe im Unfallverhütungsdienst der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) in Innsbruck. „Man kennt das aus dem Straßenverkehr. Wenn Menschen unter Zeitdruck sind, ist das Unfallrisiko erhöht. Das Gleiche gilt für die Bedienung von Maschinen.“
Österreichs Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, körperliche und psychische Gefahren am Arbeitsplatz zu ermitteln und Maßnahmen abzuleiten. In der Praxis waren es bisher aber vorwiegend körperliche Belastungen, die von den Betrieben evaluiert worden sind. „Psychische Belastungen hat kaum ein Betrieb erhoben. Es ist aber notwendig, weil man über Prävention bei körperlichen und psychischen Belastungen direkten Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit von Menschen nehmen kann“, so Unterkircher.
2011 hat das österreichische Arbeitsinspektorat zum Thema „Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz“ einen Leitfaden herausgegeben. „Darin wurde festgelegt, wie die Arbeitsinspektoren dieses Thema kontrollieren“, sagt Unterkircher.
Am 1. Jänner 2013 erfolgte eine Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes. „Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass unter Belastungen am Arbeitsplatz auch psychische Gefährdungen gemeint sind und unter Gesundheit auch die psychische Gesundheit zu verstehen ist“, erklärt Unterkircher. Diese Klarstellung hat laut Unterkircher „relativ große Auswirkungen“ auf die Evaluierungsverpflichtung.
„Für die Betriebe bedeutet es, dass sie auch die psychischen Belastungen und Gefährdungen analysieren, erfassen und Maßnahmen ableiten müssen.“
Arbeitspsychologe Unterkircher wird von Tiroler Betrieben als Experte hinzugezogen, wenn es um psychische Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz geht. „Die Tiroler Betriebe stehen ganz am Anfang. Es sind derzeit Pilotprojekte am Laufen. Erste Abteilungen sind dabei, eine systematische Analyse von psychischen Belastungen vorzunehmen“, berichtet Unterkircher.
Der Tiroler Arbeitsinspektor Robert Christanell ergänzt: „In Klein- und Mittelbetrieben sind psychische Belastungen am Arbeitsplatz noch kein Thema. Da wird es eine gewisse Zeit brauchen, bis hier eine Kultur entsteht.“
Hilfe und Unterstützung bieten u. a. die AUVA und das Tiroler Arbeitsinspektorat. Wichtig sei, das Thema ohne Scheu anzugehen. „Es geht nicht darum, dass ein Psychologe in den Betrieb kommt und sagt, welche Belastungen der Betrieb hat und was er tun soll. Es geht um Aufklärung, wie ein Prozess zur Evaluierung psychischer Belastungen ablaufen kann. Umsetzen müssen die Betriebe diesen Prozess dann mit internen oder externen Fachleuten selbst“, so Unterkircher abschließend.