Musik

Das große Paganini-Missverständnis

Stargeiger David Garrett verkörpert in der deutsch-österreichischen Koproduktion „Der Teufelsgeiger“ den legendären Niccolò Paganini.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Die letzte kommerziell erfolgreiche Erfindung in der Musikindustrie war die Crossover genannte Mischung unterschiedlicher Stile und Richtungen, die von der Ökonomie als Synergieeffekt auch kritisch bewertet wird, da der Zusammenschluss solcher Unternehmungen auch zu Image- und Profileinbußen führen kann und auf lange Sicht der Schaden den Gewinn übersteigt.

Der Geiger David Garrett, 1980 in Aachen geboren, spielte als Wunderkind mit den Weltstars der klassischen Musik. Der Aufstieg zu einer eigenen Weltmarke gelang Garrett mit einem Mix aus Klassik-, Pop- und Rock-Elementen und schon wurde in einer Werbeagentur „der Teufelsgeiger des 21. Jahrhunderts“ kreiert. Da war es naheliegend, den Kampf der Giganten auszurufen, denn der Original-Teufelsgeiger ist natürlich Niccolò Paganini (1782–1840), bekannt durch Film, Funk und Klaus Kinski. Mit der Darstellung des Virtuosen und Berserkers gibt David Garrett im Film des Engländers Bernard Rose nicht nur sein Debüt als Schauspieler, „Der Teufelsgeiger“ soll auch eine profitable Analogie herstellen und das Image erweitern. Dazu kommt noch der Soundtrack, der sich im Titel vom Film dis­tanziert: „Garrett vs. Paganini“ heißt das Stück. Über den Ausgang gibt es keinen Zweifel, The Winner Takes It All, wie die Spieler sagen. Paganini war ein krankhafter Spieler, dem irgendwann die Idee zuflog, in Paris ein Casino zu gründen.

Für Bernard Rose, der auch das Drehbuch geschrieben hat, genügt die Besessenheit für Geige und Karten als biografischer Grundriss, um ein romantisches Künstlerdrama zu entwerfen. Diese Absicht gewinnt an Charme, da schon Paganini wegen seines legeren Umgangs mit biografischen Eckdaten Unklarheiten hinterlassen hat. Unter seinen Spielschulden ächzend, unterschreibt der Geiger einen Vertrag mit Urbani (Jared Harris), der Reichtum und Weltruhm verspricht, aber die Gegenleistung erst im Jenseits verlangt. Der Film erspart Paganini den Faustkampf um das Seelenheil, den Garrett als Laienspieler mit seiner monotonen und oft bis zur Parodie larmoyanten Sprechweise auch gar nicht führen könnte. Auerbachs Keller ist eine Londoner Spelunke, in der Paganini endlich zur Geige greift und die Undercover-Journalistin Ethel Langham (Joely Richardson) von seiner Kunst überzeugt. Eine heftige gemeinsame Kutschenfahrt durch das nächtliche London tut das Übrige. Die Lobhudelei in der Times löst einen Kreischalarm aus, wie er von Mephisto/Urbani geplant worden war.

Popstars im Kino sind seit John Lennon, Mick Jagger oder Sting sehnsüchtig erwartete und zugleich gefürchtete Momente der Popkultur, die nach einschlägig vorbereiteten Regisseuren verlangen. Eine glückliche Hand für Schauspieldilettanten hatte der Engländer Ken Russell, der Roger Daltrey als „Tommy“ oder Franz Liszt in „Lisztomania“ in die manieristische Übertreibung hetzte, während David Garrett in eine naturalistische Inszenierung gezwungen wird, die als einzigen Schutz eine Sonnenbrille anbietet.

Den gelungensten Auftritt liefert der Altstar Helmut Berger. In der Figur des Mäzens Lord Burghersh vereint er das Meckerduo Waldorf & Statler aus der Muppets-Show. Mit „Beethoven ist er keiner!“ kommentiert er Paganinis erstes Konzert in London. Der sinnfreie Zwischenruf verfolgt allerdings nur den Zweck, Roses Arbeiten zu verknüpfen. Bereits 1994 folgte Bernard Rose seiner Liebe zur Musik und drehte in Wien „Ludwig van B.“.