Zombies erobern Russland
Viktor Jerofejews apokalyptischer Roman „Die Akimuden“ als gewaltige Liebes- und Hasserklärung an Russland.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck –Moskau und später auch andere Städte werden von lebenden Toten heimgesucht, die sich an den Kehlen und Geschlechtsteilen der Russen vergehen. Wie narkotisiert lassen die Russen den Putsch der Akimuden über sich ergehen, die aus einem Land kommen, das die Weltkarte nicht kennt. Die Russen räumen für die Zombies ihre Wohnungen und gewähren, dass sie es sich sogar in den höchsten intellektuellen Kreisen gemütlich einrichten. Während das Volk sich widerstandslos unterwirft, spielen der russische Patriarch, die Konsulin des Todes, Botschafter Akimud und die schöne Spionin Katja um die Zukunft der neuen Großmacht.
Viktor Jerofejew, Autor des Kultbuchs „Der gute Stalin“, zeigt auch in seinem neuen Roman „Die Akimuden“, dass er nicht umsonst der legendäre Chronist der russischen Apokalypse genannt wird. Verwirrend, opulent, beängstigend, poetisch, verstörend, absurd: Jerofejew spielt sich im Science-Fiction-Historien-Thriller brillant durch alle Register, die ein Romanautor anschlagen kann. Auch wenn sich „Die Akimuden“ auf den ersten Seiten wie ein Blick in die Zukunft präsentieren, wirft der russische Autor Blicke ins Jetzt und in die Vergangenheit. Egal, ob der Ich-erzählende Schriftsteller über die Ära Stalin und andere Tyrannen, Russlands Ergebenheit an das Schicksal, seine moralischen Krisen oder die großen Literaten diskutiert, monologisiert oder philosophiert: Immer wieder zeigt sich, wie sehr Jerofejews Gefühle gegenüber seinem Heimatland zerrissen sind.
Zwischen gnadenloser Verachtung und innigster Liebe findet sich alles an Gefühlen, die ein Mensch für sein Heimatland und seine Mitmenschen haben kann. Das liest sich ehrlicherweise nicht leicht und lässt all jene, die keine Experten russischer Geschichte sind, manchmal etwas ratlos zurück. Dennoch ist Jerofejew mit den „Akimuden“ ein – auch sprachlich – gewaltiger Roman gelungen, der einen tiefen Blick in die russische Seele gewährt. Dostojewski war früher, Jerofejew ist heute.
Viktor Jerofejew, Die Akimuden. Aus dem Russischen von Beate Rausch. Hanser Verlag, 460 Seiten, 25,60 Euro.