Runder EU-Geburtstag ohne Jubel
20 Jahre Maastricht: Wie die EU sich selbst, den Euro und ein paar Kriterien erschuf – und was davon blieb.
Maastricht, Frankfurt –In Maastricht werden morgen nicht die Korken knallen. Das Jubiläum, das sich rund um die holländische Stadt am Freitag zum 20. Mal jährt, lädt momentan auch kaum zum Feiern ein. Als am 1. November 1993 der in Maastricht unterschriebene Vertrag in Kraft trat, wurde die Europäische Gemeinschaft (EG) mit 12 Mitgliedstaaten zur Europäischen Union (EU). Damals waren der Jubel und die Erwartungen groß. Mittlerweile herrscht eher Ernüchterung. „Maastricht“ sollte Europa noch mehr als bis dahin zusammenschmieden. Der Vertrag legte die Basis für den Euro und war ein entscheidender Schritt in Richtung europäische Integration. Der Vertrag sollte die Staaten der EU vor allem auch zu solider Wirtschafts- und Finanzpolitik verpflichten. Doch genau das ist augenscheinlich nicht passiert. Was bedeutete der Maastricht-Vertrag konkret? Was sind seine Fehler? Und ist der neue Fiskalpakt besser?
1Euro, Budget-Ziele und Geburtsfehler: Mit dem Maastrichter Vertrag wurde das Haus Europa zunächst auf drei Säulen gestellt: Neben dem mächtigen Pfeiler Wirtschaft und Finanzen wurden auch neue Regeln für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie für die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz geschaffen. Doch das Kernstück von Maastricht war der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der ein Budgetdefizit von maximal 3 % des Bruttoinlandsprodukts und eine Staatsverschuldung von höchstens 60 % vorschreibt.
Diese „Maastricht-Kriterien“ sind zum Synonym für strikte Budgetvorgaben aus Brüssel geworden. Allerdings hatte der Vertrag einen Geburtsfehler, wie Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung kürzlich in Arte erklärte. Man habe das Wächteramt über die neuen Regeln der Politik überlassen und damit „den Bock zum Gärtner gemacht“. Bestes Beispiel dafür seien Deutschland und Frankreich. Sie haben 2003 gegen den Vertrag verstoßen, Sanktionen hätten folgen müssen. Doch das passierte nicht, Paris und Berlin wehrten sich erfolgreich gegen die drohenden Strafen. Das Signal war verheerend: Der berühmte „blaue Brief“ aus Brüssel verlor seinen Schrecken, die Staaten zitterten nicht mehr davor, die Ziele zu verfehlen (siehe auch Grafik). Die Konsequenzen daraus machten die Euro-Schuldenkrise und das Griechenland-Debakel augenscheinlich. Der neue Fiskalpakt soll nun schlagkräftiger sein als der Maastricht-Vertrag, künftig müssen sich zwei Drittel der Staaten zusammentun, um Sanktionen aufzuhalten. Allerdings bleibt die Kontrolle am Ende immer noch in der Hand der Staaten.
2Größter Handelsraum der Welt entsteht, aber nicht eine politische Union: Mit dem Vertrag von Maastricht wurde vor 20 Jahren auch der größte gemeinsame Markt der Welt geschaffen. Das Ziel war damals, am Ende eine politische Union zu schaffen – was freilich einst ebenso wenig konsensfähig war wie heute. Wirklich einheitlich ist auch der Binnenmarkt bis heute nicht, Europa pflegt nach wie vor sehr verschiedene Wirtschaftskulturen. Maastricht zielte auch auf die Liberalisierung des Kapitalmarktes ab, was sich 2008 beim Ausbruch der Wirtschaftskrise als problematisch erweisen sollte. (wer)