Tempobremse im Ortsgebiet bleibt Spalt-Thema
Die Unterstützung für generelle 30 km/h im Ortsgebiet hat wieder Fahrt aufgenommen. Doch es hagelt auch Kritik am pauschalen Einbremsen.
Von Christoph Mair
Innsbruck –Die Argumente für die Langsamkeit klingen einleuchtend. Bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h für Autos reduziert sich das Unfallrisiko im Vergleich zu Tempo 50 dank des wesentlich kürzeren Anhalteweges dramatisch, betonen Verkehrsexperten. Nach Erfahrungen aus deutschen Städten um bis zu ein Viertel, Langzeitstudien aus London sprechen sogar von 42 Prozent und sogar von einem Rückgang um die Hälfte bei schweren und tödlichen Unfällen mit Kindern. Der Zusammenstoß mit einem Auto mit 50 km/h empfinde ein Fußgänger wie einen Sturz aus zehn Metern Höhe, ziehen Experten einen Vergleich, bei 30 km/h seien es „nur“ dreieinhalb Meter. Die Chance zu überlegen steige.
Auch der Lärm werde durch die Maßnahme eingebremst. „Die Reduktion von 50 auf 30 km/h wird vom menschlichen Ohr wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrgenommen“, erklärt Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ), der bei seiner Forderung nach höchstens 30 Stundenkilometern im Ortsgebiet aufs Gas steigt und für die europäische Bürgerinitiative (siehe links) wirbt.
Gansterer plädiert für eine Beweislastumkehr. Derzeit müssten Gemeinden, die das Tempo auf bestimmten Straßenzügen drosseln wollen, über aufwändige Gutachten nachweisen, warum das gerechtfertigt sei. „Die Straßenverkehrsordnung berücksichtigt die Flüssigkeit des Verkehrs immer noch stärker als die Sicherheit“, spricht der Experte von einem „generellen Fehler“. Einem, der korrigiert werden soll: 30 km/h als Regel, 50 als Ausnahme.
Ein Zugang, dem auch die beiden Verkehrsreferentinnen, LHStv. Ingrid Felipe für das Land und Vize-BM Sonja Pitscheider in der Stadt Innsbruck, einiges abgewinnen können. Die beiden Politikerinnen der Grünen sprechen sich grundsätzlich für Tempo 30 im Ortsgebiet aus. „Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Luftgüte“, wie Felipe sagt. 30er-Zonen seien von der Verkehrssicherheit her „ein Hit“, betont Pitscheider. Zwar gelte das Auto immer noch als Mythos für Freiheit und Tempo: „Faktisch ist Tempo 30 in der Stadt ja schon da.“ Der Verkehr würde wesentlich flüssiger und stressfreier laufen. Pitscheider erklärt, dass sie die Diskussion vorantreiben möchte, allerdings stehe man in Österreich noch ganz am Beginn. Doch in der Straßenverkehrsordnung sollte zumindest die Möglichkeit geschaffen werden. Ingrid Felipe schränkt auch ein, dass die konkreten Entscheidungen vor Ort getroffen werden müssten, „da die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind“: Genau hier setzt auch die Kritik des ÖAMTC an. „Von einem allgemeinen Tempo 30 halte ich nichts“, sagt Tirols Landesdirektor Andreas Heis. Die baulichen Gegebenheiten und Tempolimits müssten zusammenpassen. Vor Schulen oder in dicht bebauten Wohngegenden seien 30 km/h sicher sinnvoll, nicht aber auf breit ausgebauten Hauptachsen wie etwa am Innsbrucker Südring. „Es geht auch darum, dass die Verkehrsteilnehmer eine Norm einsehen und verstehen“, begründet Heis seine Skepsis. Sonst sei die Einhaltung praktisch nicht zu kontrollieren.