Spannungen im Gemeindeverband

Der gespaltene Verband

Die Agrargemeinschaftsfrage hat einen Keil in den Gemeindeverband getrieben, der bisher stets als gemeinsames Sprachrohr der Kommunen aufgetreten ist. Vor dem heutigen Gemeindetag in Nußdorf-Debant brodelt es.

Von Peter Nindler

Innsbruck –Parteipolitik spielt im Tiroler Gemeindeverband eine untergeordnete Rolle, die Rollenverteilung ist seit Jahrzehnten klar vorgegeben: Die Tiroler Volkspartei stellt den Präsidenten, zählt sie doch mehr als 230 Bürgermeister in Tirol zu ihrer Gesinnungsgemeinschaft. Daneben gibt es 23 SPÖ-Gemeindechefs, einen Freiheitlichen und rund 25 parteifreie Bürgermeister. Und sie ziehen an einem Strang, wenn es vor allem um die steigenden (finanziellen) Belastungen der Kommunen geht. Zentrale Themen sind dabei die Transferzahlungen an das Land – von der Sozialhilfe über Zahlungen für das Gesundheitswesen bis hin zur Kinderbetreuung. Von 275 Mio. Euro im Jahr 2010 stiegen diese Gemeindebeiträge im Vorjahr auf 312 Mio. Euro.

In den vergangenen Jahren rückten diese klassischen Fragen der Interessenpolitik jedoch öffentlich in den Hintergrund und die Auseinandersetzung zwischen den Gemeinden und den in den 1950er- bis in die 1980er-Jahre aus Gemeindegut hervorgegangenen Agrargemeinschaften in den Mittelpunkt. Das hat auch mit Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf zu tun, der nach Jahren endlich eine gerechte Lösung zugunsten der Gemeinden einfordert. Schließlich waren die Übertragungen des Gemeindeguts verfassungswidrig. Und der seit 2009 amtierende Schöpf hat sich zur außerparlamentarischen Speerspitze der Oppositionsparteien SPÖ, Vorwärts Tirol, FPÖ und Liste Fritz gemacht, die im Landtag eine gesetzliche Rückübertragung des Gemeindeguts an die Kommungen verlangen.

Aber das ist nicht ÖVP-Linie, die mit ihrem Koalitionspartner, den Grünen, an einer Novelle des Agrargesetzes bastelt. Gleichzeitig opponieren die Bauernbundbürgermeister im Gemeindeverband offen gegen Schöpfs Alleinvertretungsanspruch – allen voran sein Parteikollege und Vizespräsident LA Rudolf Nagl aus Axams. Schöpf gilt als prononcierter Rhetoriker, der die Agrarfrage bewusst zugespitzt und sich die eigene Partei bzw. jetzt auch die Grünen als Reibebaum ausgesucht hat. Die Spannungen nehmen nicht nur in der ÖVP, sondern auch im Gemeindeverband zu.

Die Konfliktlinien verlaufen quer, zuletzt verlangten namhafte Bürgermeister wie der Mutterer Gemeindechef Hansjörg Peer (Vorwärts Tirol) oder FP-NR Gerald Hauser (St. Jakob im Defereggen) den Rückzug Nagls als Vizepräsident, weil dieser nicht die Linie des Gemeindeverbands in der Agrarfrage unterstützt. Sogar Abwahlforderungen wurden laut, die aber im Statut des Verbands nicht vorgesehen sind. Aber welche Position vertritt eigentlich die Mehrheit der 279 Ortschefs?

Nagl kritisiert seinerseits die Alleingänge Schöpfs, im Frühjahr sprach er sogar von „ständigen Provokationen des Präsidenten“, die auch ein Akt der Unfreundlichkeit gegenüber dem Gemeindeverbandsvorstand seien. Der Präsident wähnt jedoch eine Mehrheit seiner Amtskollegen hinter sich. Beim heutigen Gemeindetag in Nußdorf-Debant stehen die Agrargemeinschaften zwar nicht im Mittelpunkt, sie dürften aber am Ende der Tagesordnung für Zündstoff sorgen. Schließlich wollen auch die SP-Bürgermeister endlich Klarheit haben. Die Ansage des sozialdemokratischen Gemeindevertreterverbands ist eindeutig. Man unterstütze in der Gemeindegutsfrage ausdrücklich die Bemühungen des Präsidenten, stellt Vorsitzender Hans-Peter Bock klar.

Der Rumer SP-Bürgermeister und Gemeindeverbandsvizepräsident Edgar Kopp verweist darauf, dass die Vertretung kommunalpolitischer Interessen die zentrale Aufgabe des Gemeindeverbands darstelle. „Nagl muss sich selbst fragen, ob er noch an der richtigen Stelle sitzt.“

Bisher hat Schöpf gezögert, eine Agrar-Abstimmung im Gemeindeverband herbeizuführen. Doch zuletzt musste er selbst erkennen, dass die Auseinandersetzungen den Verband schwächen, und möchte das Thema jetzt aufs Tapet bringen. Wohl schon heute. Eine Abstimmung wird es wohl noch nicht geben, aber Spannung liegt in der Luft. Denn Schöpfs eigene Zukunft als Präsident ist mittlerweile eng mit der Agrarfrage verknüpft. Dafür hat er selbst gesorgt.

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