Lindner und der ORF: „Schüssel und Molterer haben es verbockt“
Monika Lindners Nationalratseinzug hat für viel Aufsehen gesorgt. Für einen Interviewband berichtete sie über ihren Auszug aus dem ORF.
Wien, Innsbruck – Es ist Monika Lindners erster Job als Politikerin: Am Dienstag wurde die frühere ORF-Generaldirektorin als Abgeordnete zum Nationalrat angelobt – als „wilde“ Abgeordnete auf einem Mandat des Team Stronach. Wie sehr sie sich schon zuvor im Dunstkreis der Politik bewegt hat, erzählte sie in Gesprächen für ein aktuelles Buch mit Berichten von Tiroler Zeitzeugen (siehe Kasten).
Im Sommer 2006 bemühte sich Lindner – damals seit fünf Jahren ORF-Generaldirektorin – um die Wiederwahl. Kurz vor der Nationalratswahl ergriff aber die „Regenbogen-Koalition“ aus SPÖ, Grünen und BZÖ die Chance, der ÖVP eine empfindliche Niederlage beizubringen und Lindner von der ORF-Spitze abzuwählen. Die entscheidenden Fehler damals hätten die ÖVP-Spitzen gemacht, ist Lindner heute überzeugt. Diese hätten darauf bestanden, trotz breiter Kritik den umstrittenen Chefredakteur Werner Mück im Führungsteam zu belassen – „Und wie sie kapiert haben, dass es wirklich am Mück liegt, war es zu spät.“ Lindners Resümee: „Wolfgang Schüssel und Willi Molterer haben es verbockt. Und sie haben sich selbst am meisten damit geschadet.“
Fünf Jahre zuvor, im Dezember 2001, war Lindner in einer ähnlichen Situation Siegerin geblieben und hatte ihren früheren Mentor Gerhard Weis an der Spitze des ORF abgelöst. Den ersten Hinweis auf einen möglichen Karrieresprung habe sie als Landesintendantin in St. Pölten vom niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll bekommen: „Du, es kann sein, dass dich der Schüssel fragt, ob du nach Wien gehen willst.“
Doch erst knapp vor der Wahl im ORF-Stiftungsrat kam der Anruf Schüssels tatsächlich. „Ich habe ja gesagt. Und am nächsten Tag wurde ich über Hintertreppen ins Bundeskanzleramt eingeschleust. Damit mich ja niemand sieht, sonst wäre das gleich in der Zeitung gestanden.“
Für Lindner folgten hektische Tage: „Ich habe versucht, alle Stiftungsräte zu besuchen. Ich bin mit Vollgas dahinter gewesen, weil ich nur ungern verlieren wollte.“ Auch führende Politiker standen auf Lindners Besuchsliste.
Mit ihrer ORF-Karriere ist Lindner zufrieden, auch wenn sie früher endete als geplant. „Ich bin 1974 als ein Niemand in den ORF gekommen. Und am 31. Dezember 2006 bin ich als Generaldirektorin hinausgegangen. Wem sollte ich da böse sein?“ (sabl)
Sie machen die Geschichte Tirols lebendig: Sieben prägende Persönlichkeiten haben in den vergangenen Monaten im Casino Innsbruck aus ihrem Leben erzählt. Die Tiroler Tageszeitung, der ORF Tirol und die Casinos Austria haben diese Lebensgeschichten zum Nachlesen als Buch herausgebracht, niedergeschrieben von Redakteurinnen und Redakteuren der TT. Neben Monika Lindner erzählen der Vorreiter der Transplantationschirurgie, Raimund Margreiter, der „Herr des Hahnenkamms“ Klaus Reisch, Strabag-Boss und Neos-Förderer Hans Peter Haselsteiner, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, die Tourismuspionierin Midi Seyrling sowie Peter Habeler, der vor 35 Jahren gemeinsam mit Reinhold Messner erstmals ohne künstlichen Sauerstoff den Mount Everest bestiegen hat.
Tirol lebendig erinnert. Zeitzeugen im Gespräch, Haymon Verlag, 19,90 Euro.