Kunst

Erben fordern Welfenschatz zurück

Restitutionsstreit um den weltberühmten Reliquienschatz zieht sich bereits über Jahre.

Berlin –Die Erben jüdischer Kunsthändler erheben Anspruch auf den Welfenschatz, die Hauptattraktion des Berliner Kunstgewerbemuseums. Die wertvollen Goldschmiedearbeiten, einst für den Braunschweiger Dom gesammelt, gelten als einer der wichtigsten Kirchenschätze des Mittelalters. Experten schätzen den Wert auf mindestens 100 Millionen Dollar (73,31 Mio. Euro).

Der Fall schwelt seit fünf Jahren. Jetzt entschloss sich die Preußen-Stiftung, die als eine der größten Kultureinrichtungen weltweit auch Herrin über die Berliner Museen ist, in einem ungewöhnlichen Schritt, über ausgewählte Ergebnisse ihrer langjährigen Recherchen zu informieren.

Es geht, ähnlich wie im öster­reichischen Fall des „Beethovenfries“ von Gustav Klimt, um die Frage, ob der Kunstschatz unter NS-Druck verkauft werden musste oder ob ein „angemessener“ Preis dafür gezahlt worden ist.

Das Fazit der Preußen-Stiftung lautet: „Die Voraussetzungen für die Herausgabe des Welfenschatzes an die Erben der Kunsthändler Goldschmidt, Hackenbroch, Rosenberg und Rosenbaum liegen nicht vor. Der Verkauf des Welfenschatzes erfolgte nicht NS-verfolgungsbedingt als Zwangsverkauf, auch wenn die Verkäufer NS-verfolgte Jude­n waren.“ Das durch die genannten Kunsthändler vertretene Konsortium – das ließ sich laut Stiftung durch die Forschung belegen – hatte den Kirchenschatz 1929 von der unter Geldnot leidenden Welfen-Dynastie für 7,5 Millionen Reichsmark angekauft. Angesichts von Inflation und Wirtschaftskrise ließen sich aller­dings nur 40 der insgesamt 82 Teile für zusammen 2,5 Millionen verkaufen, die restlichen blieben zunächst liegen. Die beteiligten Kunsthändler mussten wegen der 1933 beginnenden Judenverfolgung zum Teil ins Ausland emigrieren.

Erst im Juni 1935 erwarb der formal noch bestehende Staat Preußen die restliche Hälfte des Schatzes für 4,25 Millionen Reichsmark. Vermittler war die dem NS-Regime nahe­stehende Dresdner Bank. Insgesamt hätten die Händler einen Verkaufspreis von 6,75 Millionen Reichsmark erzielt – zehn Prozent weniger, als sie selbst einst in das Geschäft gesteckt hatten, rechnet die Stiftung vor.

„Der gezahlte Kaufpreis war angemessen“, so die Schlussfolgerung der Stiftung mit Hinweis auf ihre Recherchen. Die Anwälte der Kunsthändler-Erben sehen das anders. „Der damalige Verkauf war kein ‚normales Geschäft‘ unter Gleichen, sondern eine erzwungene, manipulierte und machtmissbräuchliche Transaktion, initiiert von Hermann Göring und dem NS-Staat“, sagt der Marburger Rechtsanwalt Markus H. Stötzel, der zusammen Mel Urbach die Erben vertritt. Die Erben-Anwälte haben jetzt die so genannte Limbach-Kommission angerufen, die in solchen Fällen berät. (APA, dpa)