NSA-Affäre

Laut Ex-Agent flächendeckende Abhörung in Österreich

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Der ehemalige US-Agent Thomas Drake meinte nach den jüngsten Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden, es sei ganz konkret davon auszugehen, dass die NSA in Wien eine Abhörstation betreibt.

Wien, Washington – In Österreich dürfte die NSA in Österreich genauso flächendeckend Telefonate erfassen und überwachen, wie es zuletzt aus anderen Ländern bekannt geworden ist: „Gehen Sie davon aus, dass das geschieht. Die Überwachung von internationalen Kommunikationsverbindungen ist gängige Praxis der NSA und eine Doktrin zur Unterstützung nationaler amerikanischer Interessen,“ wird ein „ehemaliger US-Agent“ in einem Interview des Nachrichtenmagazins „profil“ vorab zitiert (Montag-Ausgabe).

Der ehemalige US-Agent Thomas Drake meinte nach den jüngsten Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden, es sei ganz konkret davon auszugehen, dass die NSA in Wien eine Abhörstation betreibt: „Vienna & Annex“ („Wien und Anhang“) heißt es auf einem vergangene Woche an die Öffentlichkeit gelangten, streng geheimen Standortplan einer amerikanischen Geheimdienst-Sondereinheit. „Annex“ ist in der Legende wiederum als „Unmanned Remote“ („unbemannt ferngesteuert“) ausgewiesen.

„Die Bezeichnung ‚Annex‘ ist fast immer ein Euphemismus für aktive Operationen, die unter dem Deckmantel der jeweiligen Botschaft laufen“, erläutert Drake: „‘Unmanned Remote‘ bedeutet üblicherweise, dass die Ausrüstung nicht von physisch anwesenden Personen bedient werden muss, sondern ferngesteuert werden kann. Im gegebenen Zusammenhang ist das meistens eine Abhörstation oder ein Überwachungszugang.“

Einer „profil“-Umfrage zufolge gehen 32 Prozent der befragten Österreicher davon aus, schon einmal beim Telefonieren abgehört worden zu sein. Die Mehrheit von 64 Prozent glaubt laut der im Auftrag des Magazins vom Meinungsforschungsinstitut Karmasin Motivforschung durchgeführten Umfrage nicht, dass ihr Telefon jemals angezapft wurde. Vier Prozent der Befragten wollten dazu nichts sagen.

Grüne bekräftigen Forderung nach Asyl für Snowden

Nach den jüngsten Enthüllungen bekräftigen die Grünen ihre Forderung nach Asyl für den NSA-Aufdecker Snowden in der EU. „Tun wir EU-Staaten das nicht, outet sich die europaweite Empörung über die NSA-Spionageskandale als inhaltsleeres, kraftloses Getöse, auch gegenüber den USA“, betonen die Abgeordneten Ulrike Lunacek und Alev Korun am Samstag in einer Aussendung.

„Snowden hat viel für uns riskiert, es ist Zeit, dass wir als EU zusammenstehen, um auch ihn zu schützen“, schreiben die Europaabgeordnete Lunacek. und die Nationalratsabgeordnete Korun. Das jüngste Angebot Snowdens an Deutschland, als Zeuge zu den NSA-Spionagevorgängen auszusagen, zeige, dass die Affären um den US-Geheimdienst „noch lange nicht aufgearbeitet sind“. Es sei daher „im ureigensten Interesse der EU-Mitgliedsstaaten, welche so gut wie allesamt durch diverse Ausspäh-Aktivitäten der NSA betroffen sind, Snowden endlich zu uns in die EU zu holen, zu schützen und auch anzuhören.“

USA sagten Deutschland Antispionageabkommen zu

In der Spähaffäre hat die Regierung in Washington Gesandten der deutschen Regierung laut einem Zeitungsbericht baldige verbindliche Absprachen zugesichert. „Bis Weihnachten soll das Antispionageabkommen in seinen Grundzügen stehen“, zitierte die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf am Samstag ranghohe Regierungskreise nach Gesprächen von deutschen Spitzenbeamten in Washington. Die US-Seite habe eingesehen, nach den Irritationen über die Abhörpraktiken nun bald etwas „liefern“ zu müssen, hieß es weiter.

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem der außenpolitische Berater im deutschen Bundeskanzleramt, Christoph Heusgen, und Geheimdienstkoordinator Günter Heiß Gespräche in Washington geführt. Die USA stehen wegen einer Reihe von Spähaktivitäten seit Monaten international unter Beschuss. Die NSA soll unter anderem die Kommunikation von etwa 35 internationalen Spitzenpolitikern überwacht haben, darunter das Mobiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch andere deutsche Politiker sollen betroffen sein.

Treffen deutscher Vertreter mit Snowden in Moskau möglich

Einer Befragung von Snowden durch deutsche Vertreter in Russland steht aus Sicht des Kreml nichts im Weg. „Er (Snowden) befindet sich auf russischem Territorium, hat vorläufiges Asyl erhalten und ist deshalb frei, sich mit irgendjemandem zu treffen. Wir können ihn daran nicht hindern“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, der russischen Tageszeitung „Kommersant“ (Samstagausgabe).

Snowden halte sich an die Bedingung von Putin, dass er von Russland aus nichts tun dürfe, um den USA zu schaden, sagte Peskow. Die Enthüllungen über US-Spähaktionen gegen deutsche Politiker würden aus Dokumenten stammen, die der 30-Jährige bereits vor seiner Ankunft in Moskau Ende Juni Journalisten zur Auswertung übergeben habe.

Snowdens Moskauer Anwalt Anatoli Kutscherena betonte erneut, sein Mandant könne nicht nach Deutschland reisen, ohne in Russland seinen Flüchtlingsstatus zu verlieren. „Wenn ihm dort Zuflucht gewährt würde, wäre dies eine andere Frage“, sagte Kutscherena.

Ein namentlich nicht genannter US-Diplomat kritisierte den Kreml scharf. Es sei „offensichtlich“, dass Snowden „Putins Ultimatum“ verletze. Der von Washington als Verräter gesuchte Informant beschädige die Interessen der USA, sagte er dem „Kommersant“.

Auch Schweizer Abgeordnete wollen Snowden befragen

Auch Schweizer Abgeordnete wollen den Informanten Edward Snowden befragen. Sie erhoffen sich Auskünfte über US-Abhöraktionen in Genf, berichtete der Schweizer „Tages-Anzeiger“ am Samstag. „Snowden war für die CIA in der amerikanischen UN-Mission in Genf aktiv“, sagte der sozialdemokratische Abgeordnete Carlo Sommaruga der Zeitung. „Er weiß, was die US-Geheimdienste in der Schweiz tun und ob und wie der Schweizer Geheimdienst kollaboriert“.

Auch Politiker der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) bekundeten Interesse an einer Befragung des Informanten. Snowden hatte am Freitag bei einem Treffen mit dem deutschen Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele in Moskau seine Bereitschaft bekundet, in interessierten Staaten über Spionagepraktiken der USA zu berichten.

Genf gilt seit langem als „Spionagemetropole“. Es ist Standort der Vereinten Nationen, vieler weiterer internationaler Organisationen sowie zahlreicher Auslandsvertretungen und zudem eine Drehscheibe des weltweiten Rohstoffhandels. Die US-Mission unweit des Genfer UN-Sitzes soll laut Medienberichten über ähnlich umfangreiche Abhöreinrichtungen verfügen wie jene in Berlin. (APA/dpa)