Berlin erwägt Maut-Vignette nach österreichischem Vorbild
Das deutsche Verkehrsministerium prüft ein Modell mit Öko-Rabatten. Die SPD lehnt eine höhere Belastung für deutsche Autofahrer ab. Auch die CDU steht der Forderung der CSU weiterhin skeptisch gegenüber.
Berlin - Für die Benutzung deutscher Autobahnen könnte bald der Kauf einer Vignette nach österreichischem Vorbild notwendig werden. Das Verkehrsministerium in Berlin prüfe diese Variante einer Pkw-Maut, bestätigte eine Sprecherin am Sonntag einen entsprechenden Medienbericht. Für schadstoffarme Autos soll es einen Öko-Rabatt geben. Die von der CSU verlangte Pkw-Maut für Ausländer stößt bei CDU und Sozialdemokraten aber weiter auf Kritik. SPD-Fraktionsvize Florian Pronold bezeichnete es als Vertrauensbruch, wenn die Medien die Maut-Konzepte eher erhielten als der mögliche Koalitionspartner.
100 Euro für ein Jahr
Laut „Bild am Sonntag“ sehen die Pläne vor, dass deutsche und ausländische Pkw-Fahrer eine Vignette erwerben müssen, die für ein ganzes Jahr 100 Euro kosten dürfte. Wer Autobahnen nur für einige Tage oder Wochen nutzt, würde entsprechend weniger zahlen. Die deutschen Autofahrer sollen die Kosten der Vignette mit der Kfz-Steuer verrechnen dürfen. Diejenigen, deren Kfz-Steuer unter 100 Euro liegt, weil sie ein besonders schadstoffarmes Auto mit kleinem Motor fahren, sollen demnach einen Öko-Rabatt bekommen, der sicherstellt, dass die Vignette nicht teurer als die Kfz-Steuer wird.
Die Ministeriums-Sprecherin betonte, es handle sich um eine von verschiedenen Varianten für eine Pkw-Maut, die geprüft würden. Sie bekräftigte, dass in Deutschland zugelassene Pkw nicht stärker belastet werden sollten als bisher.
Pronold bezweifelte das. „Weder europarechtlich noch praktisch funktioniert die volle Rückerstattung über die Kfz-Steuer für jeden Autofahrer“, sagte der SPD-Unterhändler für die Verkehrspolitik. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse sich jetzt positionieren. Die SPD müsse wissen, ob Merkel umgefallen sei. Die CSU hat mehrfach betont, dass sie ohne eine Pkw-Maut für Ausländer keinen Koalitionsvertrag unterschreiben werde. CDU und SPD stehen dem Projekt aber weiter ablehnend gegenüber.
Unterschiedliche Signale
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der Zeitung „Die Welt“, in seiner Partei gebe es Zweifel, „die über europarechtliche Fragen hinausgehen“. Auch seien die Signale aus Brüssel unterschiedlich, ob eine Pkw-Maut für Ausländer mit Europarecht vereinbar sei. Darüber hinaus warnte der aus Nordrhein-Westfalen stammende Gröhe, eine deutsche Pkw-Maut könne schnell zum Bumerang werden, wenn Belgien und Holland dann nachzögen.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier unterstrich, die SPD lehne weiter jede Straßenbenutzungsgebühr ab, die private Autofahrer zusätzlich belaste. Zugleich kritisierte er EU-Verkehrskommissar Siim Kallas scharf. Dieser hatte erklärt, dass eine Pkw-Maut für Ausländer unter bestimmten Bedingungen mit EU-Recht vereinbar sei, was Ramsauer als Rückenwind für die Mautpläne gewertet hatte. Es sei unverantwortlich, dass ein EU-Kommissar seine Einzelmeinung mitten in die Koalitionsverhandlungen platzen lasse, kritisierte Steinmeier in der „Bild am Sonntag“.
Zwischen Union und SPD ist unstrittig, dass für Straßen, Schienen und Wasserwege deutlich mehr Geld benötigt wird. Von rund elf Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre ist die Rede. Angesichts dieser Summen zeigte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble offen für eine Pkw-Maut. „Es ist gut, dass die Kommission bestätigt hat, dass es für diesen Wunsch der bayerischen Staatsregierung Wege geben kann“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel am Sonntag“. (APA/Reuters)