Standort Tirol

Bankangestellte zittern um ihre Jobs

Mehr als 50 Mitarbeiter der Raiffeisenbank Reutte müssen das Unternehmen im Jahr 2014 verlassen. Das erst 2010 erworbene Bankhaus Bauer soll verkauft werden. Am Montag gab es eine Betriebsversammlung.

Von Helmut Mittermayr

Reutte –Der international tätige Unternehmensberater PricewaterhouseCoopers hat in den letzten Wochen die Geschäftsfelder der Raiffeisenbank Reutte, vor allem Vermögensanlage mit Schwerpunkt Private Banking, untersucht und ist zu einem Ergebnis gekommen, das zwar niemanden wirklich überraschte, aber in der Belegschaft mit Schrecken zur Kenntnis genommen wurde. Der Mitarbeiterstand des Außerferner Bankkonzerns ist auf Grund sich ändernder Rahmenbedingungen und dadurch wegbrechender Geschäftsfelder viel zu hoch. Nicht wenige internationale, vor allem deutsche Kunden ziehen ihre Einlagen von den Konzernstandorten Jungholz und Reutte ab.

Die Empfehlung von Price- waterhouseCoopers ist daher eindeutig: Um wirtschaftlich gesund zu bleiben, muss sich die Bank von 50 bis 60 Mitarbeitern trennen. Was insgesamt einem Fünftel der Belegschaft mit noch 300 Mitarbeitern entspricht. 20 Banker haben ja im Lauf des Jahres 2013 das Unternehmen schon verlassen. Das Management hatte bisher einen sozial verträglichen Weg gefunden, Kündigungen gab es keine. Dieser Weg wird bei Trennungen ab März 2014 nicht völlig zu halten sein, das Frühwarnsystem des AMS wird ausgelöst werden.

Bei einer Betriebsversammlung am Montag wurden die Mitarbeiter über die Entwicklung informiert. In mehreren Arbeitsgruppen soll nun bis März ein Modus vivendi gefunden werden. Eine schwierige Übung, muss die Organisation doch an einen geringeren Personalstand angepasst und zugleich die Trennung von oft langjährigen Mitarbeitern eingeleitet werden.

In den letzten Jahren sank das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte kontinuierlich. Das trifft gerade eine Bank wie die Raiffeisenbank Reutte mit ihren Vermögensanlageeinheiten Bankhaus Jungholz in Österreich und der Schweiz sowie dem Bankhaus Bauer in Stuttgart sehr. „Die Nachfrage nach hochwertigen Private-Banking-Dienstleistungen, eine Domäne unserer Bank, hat in den letzten Jahren einen erheblichen Einbruch erfahren“, sagt Vorstandsvorsitzender Johannes Gomig.

Viele Kunden, vor allem aus Deutschland, bevorzugen jetzt die Anlage in Festgeldern und am Sparbuch. Auch Vermögensverlagerungen in Immobilien tragen dazu bei. Das in der Vergangenheit für viele ausländische Anleger so wichtige Bankgeheimnis in Österreich und der Schweiz spielt bald keine Rolle mehr. Eine Transparenz, die viele Kunden stört, wird ihnen doch in Deutschland lediglich eine Abgeltungssteuer ohne separate Meldung abgezogen.

Vor einigen Jahren hatte die Raiffeisenbank Reutte das Ziel definiert, ein Kunden-Geschäftsvolumen von fünf Milliarden Euro zu erreichen. Organisation und auch die personellen Kapazitäten wurden darauf ausgerichtet. Neben dem klassischen Wachstum durch Neukunden sollten Zukäufe von Banken oder Vermögensverwaltern wesentlich zur Zielerreichung beitragen. Mit dem Bankhaus Bauer in Stuttgart wurde 2010 ein erster Schritt gesetzt.

„Die intensive Suche in den letzten drei Jahren war nicht erfolgreich, da keine weiteren passenden Kandidaten zur Umsetzung dieser Wachstumsstrategie verfügbar waren“, bedauert Gomig die nun doppelte Wirkung aus dem Rückgang von Kundengeldern gepaart mit dem Nichterreichen des anorganischen Wachstums. „Das daraus resultierende Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zwingt die Bank nun zum Handeln. Die Kapazitäten müssen an das bestehende Kunden-Geschäftsvolumen angepasst werden“, erklärt Ralf Götz, der für die Finanzen zuständige Vorstand.

Im Bankhaus Jungholz wird eine Verlagerung der Außenstelle in Reutte nach Jungholz Anfang 2014 für eine Bündelung der Kräfte sorgen. Im Rahmen einer strategischen Fokussierung bei den Zielgruppen konzentriert sich das Bankhaus nur noch auf vermögende Privatkunden mit Anlagevolumen bis zu 2,5 Millionen Euro. Um zukünftig eine Betreuung der Kunden am Wohnort gewährleisten zu können, wird das Tätigkeitsgebiet der Bank neben dem Heimatmarkt auf Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern) eingeschränkt. „Damit nehmen wir vorübergehend einen Rückgang unseres Kunden-Geschäftsvolumens auf rund zwei Milliarden in Kauf. Ende 2012 waren es noch 2,7 Milliarden“, erläutert Gomig.

Bei dieser Strategie wird die bisherige Einheit „Direktanlage in Österreich“ in das Private Banking integriert und die Dienstleistungspalette für diese spezielle Kundengruppe deutlich gestrafft. Ebenso wird auf das Geschäft mit institutionellen Kunden, ein Fokus des Bankhauses Bauer, verzichtet werden. Daher wird überlegt, das Bankhaus Bauer in Stuttgart entweder zu verkaufen oder als Niederlassung mit Konzentration auf die Betreuung von Privatkunden weiterzuführen. Der Rückzug aus Deutschland ist damit vorprogrammiert.

„Wir bedauern sehr, dass mit der Neuausrichtung der Vermögensanlage auch eine Reduzierung des Personalstandes im Inland um rund 50 Personen verbunden sein wird“, so Ralf Götz. „Dafür steigen jedoch die Chancen, den in den letzten Jahren komplett veränderten Marktbedingungen besser gerecht zu werden und weiterhin mit unserer hohen Vermögensanlagekompetenz bei den Kunden zu punkten“, ist Gomig überzeugt.

Die Geschäftseinheit Regionalbank im Außerfern ist von diesen Entwicklungen kaum betroffen. Die Raiffeisenbank Reutte überschreitet aktuell mit Eigenmitteln von 109 Mio. und einer Solvabilitätskennziffer von rund 22 Prozent die gesetzlich vorgeschriebene Quote von acht Prozent beinahe um das Dreifache.

Die Schweizer Tochter, die Bankhaus Jungholz AG in St. Gallen, erfreut sich angesichts der gestiegenen Unsicherheit in der EU hingegen einer zufrieden stellenden Nachfrage von Neukunden aus Österreich und Deutschland.

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