Alice Cooper: Mit Gottes Hilfe und Gagas Segen
Im März gastiert Schockrock-Legende Alice Cooper bei der „Rock meets Classic“-Tour in Innsbruck. Im TT-Interview spricht er über den Spaß am Horror, alte Saufkumpane und das Glück der Spießigkeit.
Ich bin ehrlich gesagt ein wenig nervös.
Alice Cooper: (lacht) Dafür gibt’s keinen Grund, ich bin ganz unkompliziert.
Nächstes Jahr sind Sie der Headliner der „Rock meets Classic“-Tour, bei der rund 60 Künstler – darunter Kim Wilde – Rock-Hits mit klassischer Orchesterbegleitung präsentieren. Was hat Sie an diesem Projekt gereizt?
Cooper: Ich habe vor knapp 15 Jahren schon einmal etwas in diese Richtung gemacht: Bei der Tour, die „The British Rock Symphony“ hieß, stand ich mit Kollegen wie Roger Daltrey und Peter Frampton auf der Bühne – und mit diesem Ding sind wir rund um die Welt getourt. Das hat Spaß gemacht, weil wir nicht nur eine Fünf-Mann-Rockband hinter uns hatten, sondern auch ein gigantisches Orchester. Und daran ist man als alter Rocker ja nicht gewöhnt. Was die neue Tour betrifft, kann ich noch gar nicht viel sagen: Die Proben starten erst Ende Februar. Aber ich bin auf alle Fälle gespannt, wie sich Songs wie „School’s Out“, „Under My Wheels“ oder „No More Mr. Nice Guy“ mit klassischer Begleitung anhören.
Tragen Sie zu diesem besonderen Anlass eine Krawatte? Oder doch eine Boa?
Cooper: Ich werde als Alice Cooper auftreten. Ich komme also nicht im Anzug, sondern so, wie man es von mir erwartet. Ich kann mir nicht vorstellen, eine Show zu machen, ohne das Publikum mit irgendetwas Ungewöhnlichem zu konfrontieren. Mit dabei wird auch meine Lead-Gitarristin Orianthi sein, die schon mit Prince und Michael Jackson gespielt hat. Sie ist fantastisch – und spielt wie Jimi Hendrix.
Wenn Sie auf der Bühne stehen, fließt jede Menge Blut, wird mit Boas gekuschelt und verlieren Sie am Ende der Show auch mal den Kopf. Warum macht’s Ihnen so viel Spaß, mit dem Horror zu spielen?
Cooper: In meinen Augen gehört das zum Rock’n’Roll dazu. Jeder Horrorfilm, den man kennt, hat doch Rock’n’Roll in sich – das hat aber nichts mit Satanismus zu tun, vielmehr geht’s um die Kombination aus Grauen und Spaß. Mir geht’s bei Horrorfilmen immer so, dass ich über mich lache, weil ich mich fürchte. Das ist wie beim Achterbahnfahren: Man steigt ein, weil man weiß, dass man Angst bekommen wird. Gleichzeitig weiß man aber auch, dass man wieder unversehrt unten landen wird.
Es kann also passieren, dass man bei einem Horrorfilm neben Ihnen im Kino sitzt?
Cooper: Ich liebe Horrorfilme und seh’ sie mir oft gemeinsam mit meiner Frau an, die Tänzerin und Ballettlehrerin ist. Und so geh’ ich oft mit ihr zuerst zu einer Ballettaufführung und danach ins Kino. Für mich ist das alles Unterhaltung – das darf man nicht so ernst nehmen.
Privat scheinen Sie ganz brav zu sein: Sie spielen gern Golf, sind seit 37 Jahren mit derselben Frau verheiratet und verwenden angeblich auch nie Kraftausdrücke. Klingt fast schon spießig.
Cooper: Ich war einen Großteil meines Lebens ganz anders: Ich habe viel getrunken, war mit Drogen in Kontakt und dauernd „on the road“. Seit 32 Jahren hab’ ich aber keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt und auch von anderen bösen Dingen die Finger gelassen – und ich war nie glücklicher als jetzt. Mein früherer Lebensstil hätte mich beinahe umgebracht. Ich glaube, dass Jim Morrison im Gegensatz zu mir sterben wollte. Auch Janis Joplin und Jimi Hendrix wussten, dass sie nicht geboren wurden, um alt zu werden. Sie lebten ihr Leben so schnell und so hart, dass es klar war, dass das nicht lange dauern kann. Und hätte ich mein Alkoholproblem damals nicht in den Griff bekommen, hätte ich wohl auch nur noch wenige Monate zu leben gehabt.
Wie sind Sie damals vom Alkohol weggekommen?
Cooper: Ich habe mir die Frage gestellt, was mir im Leben wichtig ist – und bin zum Schluss gekommen, dass das meine Frau, meine Kinder und meine Karriere sind. Und ich habe erkannt, dass ich all das zerstören würde, wenn ich nicht mit dem Trinken aufhöre. Wenn ich an die 70er Jahre zurückdenke, war jede Minute eine Party – aber damals war ich jung und fühlte mich unzerstörbar. Der Vorteil des Älterwerdens ist, dass man reifer und klüger wird. Ich wollte mich weiter meiner Familie und meiner Kunst widmen und dazu war es notwendig, dass ich meinen Lebensstil verändere. Damit bin ich ja nicht alleine: Auch Iggy Pop und Steven Tyler, die beinharte Party-Tiger waren, haben die Kurve gekratzt und sind glücklicherweise immer noch da.
Sie sind seit mehr als 40 Jahren im Musik-Business und haben viele Künstler beeinflusst. Wer waren Ihre musikalischen Vorbilder?
Cooper: Ich war 15, als die Beatles groß wurden – und das war natürlich das perfekte Alter, um ein Beatles-Fan zu sein. Aber ich mochte auch die Rolling Stones, The Kinks und The Who. Am Anfang meiner Karriere hab’ ich mit meiner Band dann auch diese Songs gecovert. Aber als wir alle Beatles- und Stones-Songs zigfach gespielt hatten, stellten wir uns die Frage, welcher Sound uns wirklich formen könnte – und für uns war das damals der Sound der Yardbirds, vor allem wegen Jimmy Page und Jeff Beck.
Sie arbeiten an einem neuen Album, auf dem Sie unter anderem Songs von Jim Morrisson, John Lennon und Jimi Hendrix covern. Wie kam die Auswahl der Nummern zustande?
Cooper: Das waren alles Freunde von mir, mit denen ich früher gern getrunken habe. Wir hatten auch einen Trink-Club, der „The Hollywood Vampires“ hieß. Damals trafen wir uns so gut wie jeden Abend und betranken uns bis zum Gehtnichtmehr. Das Album will ich nun diesen Freunden widmen, die nicht mehr unter uns weilen. Aber zumindest haben sie uns wundervolle Songs hinterlassen.
Denken Sie manchmal an ein Karriereende ?
Cooper: Gott hat allen ein gewisses Talent mit auf den Weg gegeben – meine Bestimmung war es, auf der Bühne zu stehen. Lady Gaga hat kürzlich gesagt, dass sie sich nur auf der Bühne richtig zuhause fühlt. Da geht’s mir ähnlich. Deshalb werde ich auch nie in Pension gehen.
Das Gespräch führte Christiane Fasching