Innenpolitik

VwGH-Präsident Thienel will sich aus der Politik heraushalten

In seiner neuen Funktion will Thienel, bisher VwGH-Vize, die hohe Qualität der Entscheidungen seines Gerichts aufrechterhalten, andererseits eine angemessene Verfahrensdauer sicherstellen.

Wien – Rudolf Thienel, ab 1. Jänner Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), will sich in seiner neuen Funktion aus der politischen Debatte möglichst heraushalten. Seine persönliche Meinung ließ er im APA-Interview immerhin in einem Punkt durchblicken: Das parlamentarische System durch direktdemokratische Elemente weiterzuentwickeln, könne durchaus sinnvoll sein, sagte er.

Thienels Amtsvorgänger Clemens Jabloner hatte sich in dieser Frage als Gegner exponiert und vor allem die im Gesetzesentwurf zum Demokratiepaket vorgesehene Volksbefragungsautomatik als „Unsinn“ abgetan. Thienel zeigte sich hingegen für Diskussionen offen. „Ich glaube, eine lebendige Demokratie bedarf einer stetigen Fortentwicklung“, sagte er unter Verweis auf den Frust von Bürgern, die sich in dem im Kern aus den 1920er Jahren stammenden System nicht mehr gehört fühlten.

Er sehe aber auch die Bedenken der Kritiker. „Es gibt bestimmte Fragen, die man nicht einer Abstimmung unterwerfen kann. Über Menschenrechte kann man nicht abstimmen“, führte er als Beispiel an. Man solle sich für eine gründliche Diskussion Zeit nehmen und die Emotionalität eines Wahlkampfes vermeiden, so Thienel. Die von der neuen Bundesregierung gewählte Vorgangsweise - geplant ist eine Enquete-Kommission - hält der VwGH-Präsident für vernünftig.

In seiner neuen Funktion will Thienel, bisher VwGH-Vize, die hohe Qualität der Entscheidungen seines Gerichts aufrechterhalten, andererseits eine angemessene Verfahrensdauer sicherstellen. Eine besondere Herausforderung bietet dabei die neue, zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, denn die bringt mit sich, dass der VwGH in außerordentlicher Revision erstmals seit 2007 wieder für Asylfälle zuständig sein wird.

Die Zahl der Rechtssachen dürfte sich dadurch von derzeit rund 5.000 auf 10.000 pro Jahr verdoppeln, erwartet Thienel. In der Geschäftsverteilung wurde darauf bereits Rücksicht genommen: Neben den zuständigen Senaten wird bei Überschreiten einer bestimmten Zahl von Fällen das gesamte Haus mit Asylfragen befasst.

Der Übergang zur neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nach Ansicht Thienels gut vorbereitet. Der Unterschied für den VwGH als Höchstgericht: „Statt der Beschwerde gegen einen Bescheid gibt es jetzt die Revision gegen die Entscheidung der Verwaltungsgerichte.“ Der VwGH werde in Hinkunft also nicht mehr unmittelbar die Verwaltung, sondern die Verwaltungsgerichte kontrollieren. Eine Rolle, wie sie der Oberste Gerichtshof in der Zivilprozessordnung einnimmt, so Thienel. „Das ist eine ganz große Umstellung, die auch bei uns noch internalisiert werden muss.“

Die Bestellung der neuen Verwaltungsrichter war vergangenen Sommer von Diskussionen um deren politische Punzierung begleitet. Für Thienel, selbst ÖVP-Mitglied, ist das nun erledigt. „Das kann ja nicht so sein, dass hoch qualifizierte Richter, die politische Funktionen bekleidet haben oder politiknahe tätig waren, dann im öffentlichen Bereich nicht weiter Karriere machen dürfen.“ Jeder Jurist lerne, dass er zwischen der Ausübung seines Amts und seinen persönlichen Einstellungen zu unterscheiden habe. „Ich habe eine politische Meinung, aber als Präsident habe ich diese nicht, das heißt, als Präsident bin ich meinem Amt verpflichtet“, betonte er. (APA)