Bühne

Düster wütendes Schicksal

Giuseppe Verdis „La forza del destino“ an der Bayerischen Staatsoper.

Von Jörn Florian Fuchs

München –Eine der wirrsten und düstersten Verdi-Opern schenkt uns die Bayerische Staatsoper heuer zu Weihnachten. Wo andere Häuser Knusperhexen oder Nussknacker ins Rennen schicken, setzt man in München auf apokalyptische Bilder und raue Töne. Martin Kusej interessiert an Verdis komplexem Vierstünder vor allem das Grauen. Entsprechend grau ist Martin Zehetgrubers Bühne, entsprechend sinister sind die Lichtstimmungen.

Inhaltlich geht es um einen Zufallstoten, den Vater Leonoras, der ihren Geliebten Alvaro ablehnt und durch einen Irrläufer aus Alvaros Waffe stirbt. Der Vater verflucht die Tochter, worauf sich eine ziemlich unglaubliche, oder besser: unglaubwürdige Handlung in Gang setzt. Leonoras Bruder Carlo schwört Rache, mehrfach begegnen sich Carlo und Alvaro, kämpfen, retten einander das Leben und treffen sich am Ende im Kloster, wo Carlo schwer verwundet dahinsiecht, jedoch vorher noch seine Schwester umbringt, die zufällig auch dort gelandet ist. Je nach Fassung stirbt Alvaro ebenfalls.

In München bleibt er am Leben, ja es gibt sogar eine kleine Prise Transzendenz. Denn die ausführlichen Szenen in und rund ums Kloster und die Rolle von Religion streicht Kusej nicht, sondern inszeniert sie durchaus ernsthaft und behutsam. Und es gibt eine Reihe eindrücklicher, eindringlicher Bilder.

Sehr gelungen ist die Darstellung des Klosters als holzvertäfelter, sehr heutiger Rückzugs- und Reflexionsraum. Das Schlussbild versammelt die Figuren auf einem Gestrüpp aus miteinander verkeilten Kreuzen. Und auch der erste Auftritt des Soldatenvolks ist exzellent, ihr Kriegsgeschrei wird durch fast skulpturales Auftreten konterkariert. Nur die, Entschuldigung, Sexschlampe Preziosilla (in mehrfacher Hinsicht überzeugend: Nadia Krasteva) heizt die Stimmung etwas an. Soldaten? Preziosilla? Nun, hierbei handelt es sich um nicht wirklich relevante Nebenstränge, die aber irgendwie mit inszeniert werden müssen, will man nicht die wunderbare Musik streichen.

Das Problem von Kusejs Inszenierung liegt bei etlichen Schwächen in der Personenführung von Alvaro und Leonora – hier wird viel zu viel chargiert – sowie dem unentschiedenen Mix aus Psychostudie, derbem Polittheater und Rätselbildern. Peinlich ist etwa eine krachledern choreographierte Orgie. Unerklärlich bleibt, warum irgendwann ein Teil der Bühne um 90 Grad gedreht wird und die Figuren, an Seilen befestigt, herumkriechen müssen. Geschmacklos, überflüssig sind zudem kurz aufflammende Folterszenen à la Abu Graib. Manch Kostüm und Auftritt riecht außerdem arg nach Kunstgewerbe. Für Kusej gab es am Ende beträchtliche Buhs.

Die größte Enttäuschung lag freilich eine Ebene tiefer, nämlich im Graben. Das Bayerische Staatsorchester spielte zwar sehr versiert, doch Dirigent Ashe­r Fisch fand zu keiner wirklichen Linie. Es gab tolle Details, ein gutes Herausarbeiten der von Verdi hier erstmals eingesetzten Leitmotive, doch fehlte es immer wieder an Dynamik und einem vernünftigen Umgang mit Lautstärke.

Dafür war das Sängerensemble wirklich hinreißend, allen voran Anja Harteros’ Leonora. Ludovic Téziers Carlo entlockte seiner Kehle die jeweils richtige Dosis Schmerz, Wut und Schmelz, Jonas Kaufmanns Rollendebüt als Alvaro kann, abgesehen von wenigen gaumigen Misstönen, als gelungen bezeichnet werden.

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