Katie Melua in Innsbruck: Schneewittchen hat Muskelkater
In der Ruhe liegt die Kraft: Bevor Katie Melua bei ihrer „Simplified“-Tour ihre Tiroler Fans bezauberte, packte sie die Wanderschuhe aus.
Von Christiane Fasching
Innsbruck – Stille kann ganz schön laut sein. Songwriter Joel Harries kann ein Lied davon singen – mit leisen Tönen versuchte er am Sonntag, das Congress-Publikum für den Auftritt von Katie Melua in Stimmung zu bringen. Ein Versuch, der vor allem zu Beginn von Geraschel, Geruckel und Geflüster begleitet wurde. Und dann noch mit einer kurzen Buh-Fanfare endete. Das hatte aber nichts mit dem zurückhaltenden Auftritt des Briten zu tun, sondern vielmehr mit der Ankündigung, dass dem 25-minütigen Vorprogramm eine halbstündige Umbauphase folgen sollte. Buh – und Prost. Zumindest die Congress-Gastronomie profitierte vom Bühnen-Umstyling, das dezent ausfiel. Stimmwunder Melua braucht aber auch kein großes Stage-Brimborium, um sanft auf die Pauke zu hauen.
Auf ihrer „Simplified“-Tour setzt die Wahl-Britin mit georgischen Wurzeln auf Reduktion: Begleitet wird sie nur von Tim Harris (Bass) und Mark Edwards (Keyboards), zwei gänzlich uneitlen Musikern, die dezent hinter ihren Instrumenten verschwinden – und trotzdem strahlen. So mächtig kann Musik sein. Melua strahlt natürlich auch, in einem silbernen Feenkleid tritt sie ihren Dienst an, der für sie sichtlich ein Vergnügen ist. Eine große Plaudertasche ist das Schneewittchen-Look-Alike dabei aber nicht – sie konzentriert sich aufs Wesentliche, ihren Gesang. Und marschiert zielgerichtet durch ihr musikalisches Schaffen, gibt Einblicke in ihr magisches, neues Album „Ketevan“, lässt aber auch ihre großen Hits wie „Nine Million Bicycles“, „The Closest Thing To Crazy“ oder „Call Off The Search“ nicht aus. Nebenbei ist Melua auch eine Meisterin des Coverfachs und sorgt mit ihrer Verneigung vor Paul Simons „Bridge Over Troubled Water“ oder Leonard Cohens „In My Secret Life“ für Gänsehaut. Zu Ehren kommen auch Dusty Springfield und Janis Joplin – Melua ist ein musikalisches Chamäleon, das sich aber nie verformt. In Erzähllaune gerät sie dann auch – und berichtet von einer fünfstündigen Bergtour, bei der sie am Samstag Höhenluft schnupperte. Und die ordentlich in die Beine ging. Melua hat als Tirol-Souvenir also einen Muskelkater mitgenommen. Die Standing Ovations hat sie aber hoffentlich nicht als Trostpflaster für dieses Geständnis interpretiert.