„Bin nicht Kanzler-tauglich“
Die Regierung habe sich gut durch die Finanz- und Hypokrise bewegt, sagt Minister Josef Ostermayer. Nur die Medien hätten eine zu hohe Erwartungshaltung.
Wien –Ob die Regierung rund um das Hypo-Alpe-Adria-Desaster auf der Kippe stand? Das erzählt man sich zumindest mitunter zwischen Ballhausplatz und Parlament. Erstaunt registriert Josef Ostermayer die Frage. Es habe zwar „unterschiedliche Positionen“ gegeben, „auch in der Frage, welche Auswirkungen eine Insolvenz haben könnte“, dass die Koalition aber vor einem Bruch gestanden sei, verneint der Kanzleramtsminister im Gespräch mit sechs Chefredakteuren von Bundesländer-Tageszeitungen und der Presse und ergänzt: „Das hätte ich wohl erfahren.“ Ja, hätte er wohl. Aber ein echtes Dementi ist das nicht.
Dass derzeit keinem anderen Politiker derart viel Einfluss auf Kanzler, Regierungspolitik und Medien zugeschrieben wird wie ihm steht fest. Er prägte die Kabinette Faymann I und Faymann II wie kein anderer. Dass er das nicht hören will und sich gerne bescheiden gibt, gehört dazu. Ihm gelang als Staatssekretär, was Jörg Haider lange verhindern wollte, nämlich eine Einigung im Kärntner Ortstafelstreit. Frisch im Amt als Kulturminister gab er zuletzt im Burgtheater-Finanzskandal den Aufräumer, was Matthias Hartmann den Posten kostete. Wobei Ostermayer durchaus glaubhaft versichert, dass die Entlassung des Burgtheaterchefs eine der schwersten Entscheidungen in seiner bisherigen Polit-Karriere gewesen sei. Er selbst hat von dem Theaterdonner profitiert, weil er als harter Durchgreifer auftrat.
Warum es der Koalitionsregierung nicht richtig gelungen ist, ihre Arbeit zu erklären und vermeintliche Erfolge zu kommunizieren und wie es zur zuletzt von ORF-Moderator Armin Wolf konstatierten totalen Entfremdung zwischen Politik und Medien gekommen ist, versucht Ostermayer zu erklären. Mit leiser, konzentrierter Stimme, sachlich und fast emotionslos hält er so etwas wie ein Plädoyer für Optimismus: Mit Beginn der schweren Finanzkrise 2008, dem Kampf dagegen, der dadurch ausgelösten Euro-Krise und der parallel verlaufenden Bankenkrise sei die Regierung wie überall auf der Welt von den Ereignissen am Finanzmarkt getrieben worden. Alle Wirtschaftsdaten würden zeigen, dass Österreich im internationalen Vergleich gut durch die Krise gekommen sei. Alle Meinungsumfragen zeigen, dass dies bei der Bevölkerung nie so angekommen ist. „Wir haben vielleicht zu wenig, zu spät und zu schlecht erklärt“, sagt Ostermayer an diesem Abend sechs Jahre nach Ausbruch der Krise. Und: Oft habe man auch gar nicht kommunizieren können, sonst hätte man irrationale Reaktionen auf den Finanzmärkten riskiert. Als Bild seien daher nur die ständigen Konflikte und Sticheleien zwischen SPÖ und ÖVP im Bewusstsein geblieben. Beim Hypo-Brand habe ihn zudem erstaunt, dass „plötzlich über die Feuerwehrmänner diskutiert wurde und nicht über die Brandstifter“. Eine ernüchternde Selbstreflexion.
Die sinkende Zustimmung für eine Zweierkoalition erklärt Ostermayer mit der Diversifikation der Parteienlandschaft. Das Mehrheitswahlrecht sei aber nicht die Lösung, um die Wahlbeteiligung zu steigern. Er wäre also kein idealer Kanzler für eine Fünf-Parteien-Regierung? „Ich wäre gar nicht Kanzler-tauglich“, sagt er und wird erstmals etwas lauter. Dazu fühle er sich persönlich nicht befähigt. Da ist sie wieder, die Bescheidenheit, die Ostermayer sich an der Seite von Werner Faymann angewöhnt hat. Bei anderen Themen spricht er klarere Worte. Etwa bei der etwas uninspirierten Kürzung der Presseförderung von elf auf neun Millionen Euro pro Jahr. Die sei so rasch notwendig gewesen, weil die Regierung jetzt 500 Millionen Euro Ermessensausgaben kürzen muss. Die Vorschläge für eine umfassende Reform der Presseförderung, wie sie der kürzlich verstorbene Kommunikationswissenschafter Hannes Haas in einem Gutachten auflistete, seien schlicht aus Zeitnot nicht berücksichtigt worden.
Ein neuer Anlauf für eine Reform der Presseförderung sei frühestens 2016 möglich. Ungeduldig wird der Kultur- und Medienminister nur ein einziges Mal an diesem Abend. Als das Gespräch auf die verdeckte Presseförderung durch die Vergabe von Inseraten an den Boulevard kommt. „Wir verteilen schlicht und einfach nach Reichweite.“
Ostermayers Botschaft in diesem Gespräch ist klar: Die Regierung hat ihre Arbeit mit bestem Gewissen gemacht, was Medien und Bevölkerung wegen ihrer zu großen Erwartungshaltung nicht anerkennen würden.