Ukraine-Gipfel in Genf einigte sich auf „schrittweise Deeskalation“
„Illegale Gruppen“ sollen entwaffnet werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Gipfelteilnehmer Russland, Ukraine, USA und EU. Die Lage in der Ostukraine ist weiterhin unübersichtlich und angespannt.
Moskau/Kiew/Genf - Bei den Vierer-Gesprächen in Genf zur Ukraine-Krise hat es überraschend einen Durchbruch gegeben. Die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton einigten sich am Donnerstag auf die „Entwaffnung illegaler bewaffneter Gruppen“ in allen Regionen, so Russlands Sergej Lawrow. Vorgesehen seien außerdem die Räumung besetzter Gebäude und eine Amnestie.
Lawrow verkündete die Einigung auf eine „schrittweise Deeskalation“ nach stundenlangen Gesprächen in der Schweizer Stadt. Moskau habe nicht die Absicht, Truppen in die Ukraine zu schicken. „Das läuft unseren grundlegenden Interessen zuwider“, sagte er Journalisten in Genf. Lawrow führte nicht näher aus, welche „illegale bewaffnete Gruppen“ gemeint seien. In den vergangenen Tagen hatten prorussische Aktivisten zahlreiche öffentliche Gebäude im Osten der Ukraine besetzt. Zuvor hatte es ähnliche Besetzungsaktionen auch im Westen des Landes gegeben.
USA behalten sich Verschärfung der Sanktionen vor
US-Außenminister John Kerry sagte, die vereinbarte Amnestie gelte nicht für schwere Verbrechen. Kerry drohte Moskau mit einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, sollte es keine Fortschritte bei der Entspannung der Lage geben. Der Westen gebe die Krim nicht auf, auch wenn darüber in Genf nicht geredet worden sei, fügte Kerry hinzu. Der amtierende ukrainische Außenminister Andrej Deschtschyzja sagte, die Genfer Vereinbarung müsse „in den kommenden Tagen umgesetzt“ werden.
Vor dem Genfer Treffen erörterten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in einem Telefonat die Ukraine-Krise. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin mitteilte, forderten sie Russland auf, seinen Einfluss geltend zu machen und zu einer Normalisierung der Situation beizutragen.
Die Lage im Osten und Südosten der Ukraine war am Donnerstag weiterhin unübersichtlich und angespannt. Die ukrainische Übergangsregierung hatte am Dienstag die Armee in die Region entsandt. Bei einem Angriff auf ukrainische Soldaten in der Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes wurden nach Angaben von Übergangsinnenminister Arsen Awakow in der Nacht zum Donnerstag drei prorussische Angreifer getötet.
In der ostukrainischen Industriestadt Donezk gingen 2000 Menschen für eine vereinte Ukraine auf die Straße. Sie schwenkten ukrainische Fähnchen und sangen die Nationalhymne.
Putin schließt militärische Intervention nicht aus
Der russische Präsident Wladimir Putin schloss vor der Genfer Einigung die Möglichkeit einer militärischen Intervention in dem Nachbarland nicht aus. Er hoffe, nicht von seinem „Recht“ zur Entsendung der Armee Gebrauch machen zu müssen, sagte er in einer Fernsehfragestunde. Kiew warf er vor, das Land in den „Abgrund“ zu führen. Vorwürfe, dass russische Spezialkräfte in der Ukraine im Einsatz seien, bezeichnete Putin als „Unsinn“. Allerdings gab er erstmals zu, dass russische Soldaten während des Referendums zur Eingliederung der Schwarzmeerhalbinsel Krim Mitte März vor Ort waren.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso schrieb indes an Putin, die EU sei zu Gesprächen mit Russland und der Ukraine über Gaslieferungen bereit. „Es ist in unserem gemeinsamen Interesse, rasch Diskussionen unter Einschluss der Ukraine einzuleiten“, schrieb Barroso. Er warnte, die Verlässlichkeit Russlands als Gaslieferant stehe auf dem Spiel.
Putin hatte die Gespräche in einem Brief vom 10. April vorgeschlagen, nachdem er der Ukraine mit einem Lieferstopp gedroht hatte, sollte Kiew seine ausstehenden Zahlungen nicht begleichen. Putin stellte der Ukraine nun eine einmonatige Frist zur Begleichung der Schulden. (tt.com, AFP/Reuters)