Rumänien: Besorgnis wegen Krise im Nachbarland Ukraine

Bukarest/Iasi (APA) - Der Konflikt im Nachbarland Ukraine erfüllt viele Rumänen mit Angst und Sorge. Die russische Großmacht im Osten rückt ...

Bukarest/Iasi (APA) - Der Konflikt im Nachbarland Ukraine erfüllt viele Rumänen mit Angst und Sorge. Die russische Großmacht im Osten rückt näher. Die einen fürchten wirtschaftliche Verluste, die anderen politische Folgen, das Beispiel des vom Nachbarn Moldawien abtrünnigen Transnistrien (Dnjestr-Republik) vor Augen.

In der Hauptstadt Bukarest sieht man die Dinge gelassener, obzwar weitgehend Konsens herrscht, dass die Russen den Rumänen viel Unglück beschert haben. Wenn der Besucher hingegen in der östlichen Region Moldau das Gespräch auf den russisch-ukrainischen Konflikt lenkt, wird die Besorgnis wegen russischer Expansionsgelüste offen angesprochen. Denn auch Rumänien hat eine kleine russische Minderheit.

In diplomatischen Kreisen in Bukarest heißt es, rumänische Wirtschaftstreibende sehen den Osthandel gefährdet und warnten vor einem neuen Eisernen Vorhang. Das Volk fürchte eine ähnliche Entwicklung wie in Moldawien, wo der Staat seit deren Abspaltung 1992 keine Kontrolle über die pro-russische Dnjestr-Republik hat. Das Machtspiel Russlands kalkuliere mit ein, dass die EU Fehler gemacht hat, meint ein westlicher Diplomat. Die kleine russische Minderheit in Rumänien (0,2 Prozent) sei aber gut integriert.

Der Vizepräsident des rumänischen Senats, Ioan Chelaru, bestätigt die Eindrücke. Er habe „keine Angst, fühle aber doch Besorgnis.“ In der Moldau-Provinz gebe es wohl größere Ängste in der Bevölkerung. Im Europa-Wahlkampf sei angesichts der Ereignisse jenseits der Grenze „die pro-westliche Orientierung“ Rumäniens zum Ausdruck gekommen. Aus politischer wie militärischer Sicht sei man sich heute bewusst, dass der Beitritt zu EU und NATO „die richtige Wahl war“, betont Chelaru. „Rumänien fühlt sich als Teil der europäischen Familie.“

Großes Lob für Brüssel kommt aus dem Mund des Senats-Vizechefs. „Heute wissen wir, dass die wirtschaftlichen Mittel der EU die Hauptquelle unserer Entwicklung sind.“ Rumänien sei teils selbst schuld, wenn es die EU-Mittel nicht richtig nützte. In der EU-Wahlkampagne habe man sich bemüht, den Zugang zu den Fonds besser zu erläutern. „Es gibt in der EU viele Bürger zweiter Kategorie.“ Doch 50 Jahre Kommunismus seien nicht von heute auf morgen zu verarbeiten, beschreibt Chelaru den Stand der Dinge in Rumänien.

Der Vizebürgermeister der Moldau-Metropole Iasi, Mihai Chirica, spricht eine deutliche Sprache: „Russland war nie ein Freund.“ Das Vorgehen Moskaus habe „große Angst hervorgerufen“. Rumänien werde sich in dem Konflikt jedoch „wie die Schweiz neutral verhalten“. Auch der Vizechef von Iasi, von wo es über den Grenzfluss Prut nur wenige Kilometer nach Moldawien sind, hebt die Bedeutung der Republik Moldau hervor: „Wichtig für uns ist die Zukunft Moldawiens. Unsere Hoffnung ist, dass sich Moldawien der EU annähert.“ EU und NATO „schützen unsere Integrität“. Der Ukraine-Konflikt sei im Wahlkampf thematisiert worden.

Die Energiesicherheit der beiden Nachbarn ist eng verknüpft und ein Top-Thema. Chirica: „Unsere Unabhängigkeit ist zugleich eine Energie-Unabhängigkeit.“ Rumänien und Moldawien hätten eine gemeinsame Gasversorgung, auch gebe es ein gemeinsames Stromprojekt. Zugleich bemühe sich Bukarest um die eigene Energieförderung durch Fracking. Hier spielt doch ein russisches Element herein: „Russische Verbände in Rumänien unterstützen die Blockade dieser Initiative.“

Auf den Straßen von Iasi wird auch laute Kritik gegenüber Russland geäußert. „Die Russen haben uns Bessarabien weggenommen. Sie sind zu allem fähig“, grollt ein älterer Mann, der selbst der ungarischen Minderheit entstammt. Dieses mehrheitlich von Rumänen bewohnte Gebiet wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion einverleibt und zwischen Moldawien und der Ukraine aufgeteilt.

Der Geschichtelehrer Ovidiu macht seiner Wut Luft: „Wir haben die Ceausescu-Diktatur satt, wir haben die Russen satt.“ Als er ein Kind war, in der KP-Ära, warnten ihn die Eltern ständig: „Pass auf, was du in der Schule sagst.“ Die Russen hätten den Rumänen „im Lauf der Geschichte nichts Gutes gebracht“. Kreml-Chef Wladimir „Putin verfolgt wie ein Zar die Idee von Großrussland, er lässt uns nicht in Ruhe“.

Pater Antonios im ältesten rumänisch-orthodoxen Moldau-Kloster Neamt hingegen hat „keine Angst“ wegen der Ukraine. Der alte Mönch differenziert: „Was die Politik betrifft, hat Rumänien wegen Russland sehr gelitten. Was den Glauben betrifft, gibt es enge Bande zwischen Russland und der Ukraine.“ Kiew sei die Hauptstadt Russlands gewesen, und der größte Heilige Russlands, Wladimir, stamme schließlich aus der Ukraine.

Im rumänischen Fremdenverkehr sind die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts seit der russischen Invasion schon spürbar. In Nordrumänien, wo die berühmten Moldau-Klöster aus dem 15. und 16. Jahrhundert liegen, „hat der Tourismus nachgelassen“, erzählt ein Reiseleiter. Besonders aus Skandinavien kämen jetzt weniger Gruppen.