Rumänien: NGOs kritisieren Parlament als „Schild der Korrupten“
Bukarest (APA) - Fünf namhafte Nichtregierungsorganisationen in Rumänien haben das Parlament aufgefordert, korrupte Politiker nicht mehr geg...
Bukarest (APA) - Fünf namhafte Nichtregierungsorganisationen in Rumänien haben das Parlament aufgefordert, korrupte Politiker nicht mehr gegen die Ermittlungen der Justiz in Schutz zu nehmen. Immer wieder hatte das Parlament in den letzten Monaten gegen die Aufhebung der Immunität von korruptionsverdächtigen Parlamentariern gestimmt.
Die NGOs Freedom House Romania, die Gruppe für Sozialen Dialog, Expert Forum, das Rumänische Zentrum für europäische Strategien und die Gesellschaft Timisoara kritisieren, dass das Parlament als „Schild „ derzeitiger und ehemaliger Parlamentarier und Minister gegen die Justiz fungiert. In Rumänien ist bei aktiven und ehemaligen Parlamentariern und Spitzenpolitikern eine Einwilligung des Parlaments erforderlich, bevor Ermittlungen der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (DNA) weitergeführt werden, beziehungsweise die Angeklagten vor Gericht gebracht werden können.
Das Parlament lehnte es beispielsweise ab, grünes Licht für Ermittlungen im Fall des Sozialdemokraten Marius Isaila (PSD) zu geben. Isaila wird von der DNA beschuldigt, als Abteilungsleiter im Finanzministerium beziehungsweise Senator mehrmals Schmiergeld angenommen zu haben - unter anderem 200.000 Euro von einem Geschäftsmann, der eine Finanzkontrolle bei seiner Firma verhindern oder günstig ausgehen lassen wollte.
Ein weiterer negativer Bescheid des Parlaments erfolgte im Fall des PSD-Abgeordneten Vlad Cosma, der zusammen mit seinem Vater Mircea Cosma, dem Vorsitzenden des Kreisrats Prahova, insgesamt 4,4 Millionen Lei (1,00 Mio. Euro) Bestechungsgeld eingesteckt haben soll. Das Geld stammte von drei Geschäftsmännern, deren Firmen in einen Geldwäsche- und Steuerbetrugsskandal mit einem Schaden von 35 Millionen Euro verwickelt sind - diesen Firmen sollen die beiden Politiker unter anderem überbewertete Verträge mit staatlichen Institutionen vermittelt haben.
Ähnlich gestaltet sich der Fall des PSD-Abgeordneten Ion Stan, der von einem Geschäftsmann, der ihn später bei der DNA angezeigt hat, wiederholt Geld und Produkte für „Wahlkampfgeschenke“ als Gegenleistung für Einflussnahme und Begünstigung verlangt und erhalten hat.
Auch im Fall der ehemaligen Minister Victor Paul Dobre von den Liberalen (PNL) und Laszlo Borbely von der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) blockierte das Parlament die Justizorgane. Dobre soll laut der DNA als delegierter Verwaltungsminister im Jahr 2012 in den mutmaßlichen Wahlbetrug beim Referendum um die Absetzung von Präsident Traian Basescu verwickelt gewesen sein. Borbely wiederum soll seinen Einfluss auf staatliche Behörden zugunsten einer Firma eingesetzt haben, die im Gegenzug seine Wohnung renoviert haben soll.
Bemerkenswert ist, dass sich der parlamentarische Schutz vor der Gerichtsbarkeit auch auf Oppositionspolitiker erstreckt. Dies ist der Fall des Parlamentariers Florin Popescu, der inzwischen als „Hendl-Baron“ bekannt ist, weil er - damals noch als Mitglied der Liberaldemokraten (PDL) - laut DNA-Anklage von einem lokalen Unternehmer 70 Tonnen Fleischprodukte als Wahlgeschenk für potenzielle Wähler gefordert hat. Die Regierungsparlamentarier stimmten im April 2014 in kollegialer Solidarität gegen eine Immunitätsenthebung in seinem Fall.
Derartige Korruptionsvergehen, aber vor allem der parlamentarische Schutz für die Angeklagten sowie die Tatsache, dass wichtige Politiker immer wieder derartige Praktiken verteidigen und legitimieren, sind laut den fünf NGOs „eine Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien, welche Rumänien außerhalb der westlichen Werte platziert“.
Zahlreiche Regierungspolitiker bis hin zum Premierminister Victor Ponta (PSD) hatten die Verfahren der DNA immer wieder als „politische Prozesse“ gewertet. Ponta solidarisierte sich beispielsweise mit den Bürgermeistern oder Kreisratsvorsitzenden, gegen die die DNA ermittelt, indem er ihnen seine Unterstützung zusicherte und erklärte, dass „sie uns auch bei der Revolution von 1989 nicht alle erschießen konnten“. Auch direkt von den Ermittlungen betroffene Politiker wie der Bürgermeister von Constanta, Radu Mazare (PSD) oder der Kreisratsvorsitzende von Constanta, Nicusor Constantinescu, hatten öffentlich die Abschaffung von Antikorruptionsinstitutionen gefordert.
Dies stelle „einen Verrat an Rumäniens Interessen und eine Anfälligkeit der nationalen Sicherheit in einem bereits angespannten außenpolitischen Kontext“ dar, heißt es im Schreiben der NGOs, die fordern, dass bei Abstimmungen über Immunitätsenthebungen nicht wie derzeit geheim, sondern im Interesse der Transparenz offen abgestimmt werde.