Ein großes Geschenk für den geliebten Strauss
Richard Strauss’ 150. Geburtstag wird am 11. Juni gefeiert. Gespräch mit Verehrerin und Interpretin Brigitte Fassbaender.
Frau Fassbaender, Richard Strauss wird heuer gefeiert, muss da etwas nachgeholt werden?
Brigitte Fassbaender: Nachgeholt sicher nicht. Aber bei diesen großen Anlässen ist die Beschäftigung mit der Person und der Musik besonders intensiv. Zu Strauss ist eine Fülle von neuen Biografien erschienen. Dass auch kritische Stimmen zu Strauss’ Verhalten im Nationalsozialismus zu Wort kommen, ist klar, das ist ja auch ein schweres Kapitel. Diese Beschäftigung ist wichtig und gut, aber seine Musik ist eh immer präsent. Und da kann ich gleich mein Hauptbeglückungsthema erwähnen.
Sie sprechen wohl von der CD-Box, die morgen beim Label Naxos erscheint.
Fassbaender: Es ist eine Gesamtaufnahme der Strauss-Lieder, 179 Lieder, vom Weihnachtslied des Sechsjährigen bis zum letzten, „Malven“. Da ist ein Lied dabei, „Herbstabend“, das hat man noch nie gehört, das ist nie erschienen. Es ist in Brüssel in Privatbesitz und hat uns fast ein Jahr der Bitten und Überredung gekostet, uns dieses Lied zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns auch nicht gescheut, die Lieder aufzunehmen, die Strauss im Nationalsozialismus gewidmet hat, Goebbels und Baldur von Schirach zum Beispiel. Und da höre ich mit Freude, dass die nicht so gut sind. Dass er sich wahnsinnig schwer getan hat und man das merkt … Es ist alles so zwiespältig und verwirrend bei ihm, aber er war schon eine hochinteressante Persönlichkeit.
Wer war bei diesem CD-Projekt dabei?
Fassbaender: Christian Elsner, Brenden Gunnell, Martin Mitterrutzner, der sich wunderbar entwickelt in Frankfurt, Michelle Breedt, Juliane Banse, Christiane Libor, Anja-Nina Bahrmann, Anke Vondung, die Begleiter Wolfram Rieger, Malcolm Martineau, Christoph Berner, Burkhard Kehring und viele andere. Auf diese Gesamtaufnahme bin ich sehr stolz, ich stelle sie morgen, an Strauss’ Geburtstag, beim Festival in Garmisch vor.
Sie sind als Intendantin des Strauss-Festivals in Garmisch, das bis 19. Juni dauern wird, bei zwei Konzerten auch als Interpretin dabei.
Fassbaender: Ich moderiere zwei Konzerte. Wie haben viel Spannendes in Garmisch, es fängt an mit der selten gespielten „Liebe der Danae“ als Gastspiel aus Frankfurt mit Anne Schwanewilms, Ian Bostridge gibt einen Liederabend, Marlis Petersen ist da, große Orchester kommen, es gibt eine Uraufführung von Manfred Trojahn und noch viel mehr.
Alles im Zeichen von Richard Strauss. Wie auch bei Ihrem Eppaner Liedsommer vom 6. bis 13. Juli.
Fassbaender: Ja, nach Eppan kommen für Liederabende Daniel Behle, Anja-Nina Bahrmann und Andreas Mattersberger und Annika Schlicht mit Pianist Michael Schöch.
Was ist Ihr persönliches Strauss-Faszinosum?
Fassbaender: Ich liebe seine Musik. Sie ist immer eine Herausforderung, weil er es den Sängern nicht leicht gemacht hat, es sind große stimmliche Anforderungen, denn Strauss-Orchester sind meistens sehr dick und es gibt kaum einen Dirigenten, der es durchsichtig bekommt. Es sind herrliche Phrasen, es verlangt eine große Atembeherrschung. Und es ist immer musikalisch-rhythmisch sehr schwer. Ich kenne schmisslose Strauss-Opern. Schauspielerisch verlangen die Partien psychologisches Empfinden und charaktervolles Arbeiten. Und dann war Strauss ja ein wirklich humorvoller, komödiantischer Theatermann. Es sind immer komische Elemente in seinen Opern, auch in den Tondichtungen: eine glitzernde, geistvolle, heitere, olympische Tonsprache, sprudelnde Inspiration und ein ungeheures handwerkliches Können.
Sie haben während Ihrer Innsbrucker Intendanz viel Strauss inszeniert und dabei völlig andere Zugänge zu den Werken und auch zu einzelnen Rollen gezeigt. War das ein Bedürfnis noch aus Ihrer Interpretenzeit, oder kam das mit dem Regieführen?
Fassbaender: Das hat sich durch die Regie ergeben. Es gibt ein Schlüsselerlebnis: Zunächst habe ich immer abgelehnt, den „Rosenkavalier“ zu inszenieren, weil ich so geprägt war von der Münchner Legende mit Carlos Kleiber und Otto Schenk, dass meine Phantasie dadurch sehr besetzt war. Man will sich ja einen eigenen Zugang zu den Stücken verschaffen. Dann habe ich in Frankfurt die Produktion von Ruth Berghaus gesehen mit dem Bühnenbild von Erich Wonder. Das war für mich ein echter Befreiungsschlag. Zwar ein schmerzlicher, aber es hat mir gezeigt, man kann auch ein bisschen anders über die Dinge nachdenken. Von da an fühlte ich mich relativ frei für mehrere Inszenierungen. Jetzt schließt sich der Bogen, ich mache den „Rosenkavalier“ beim Osterfestival 2015 in Baden-Baden, und wer ist der Bühnenbildner – Erich Wonder. Da bin ich ganz glücklich. Anja Harteros ist die Marschallin, Anna Prohaska die Sophie und Peter Rose der Ochs. Simon Rattle dirigiert die Berliner Philharmoniker, seine Frau Magdalena Kozená singt den Oktavian.
Was haben Sie außerdem für Pläne?
Fassbaender: Da kommen jetzt fünf Inszenierungen hintereinander: „Rigoletto“, „Eugen Onegin“, „Freischütz“, in Frankfurt ein Britten und ein Strauss.
Das Gespräch führte Ursula Strohal