EU-Topjobs: Merkel warnte bei Mini-Gipfel in Schweden vor „Drohungen“

Harpsund (APA/AFP/Reuters) - Im Streit um die künftige Führung der EU-Kommission hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor „Drohungen“ ge...

Harpsund (APA/AFP/Reuters) - Im Streit um die künftige Führung der EU-Kommission hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor „Drohungen“ gewarnt und ihre Unterstützung für Jean-Claude Juncker bekräftigt. Drohungen in der Personalfrage seien „falsch“, sagte Merkel am Dienstag bei einem Treffen mit ihren Juncker-kritischen Kollegen aus Großbritannien, Schweden und den Niederlanden im schwedischen Harpsund.

Seit der Europawahl im Mai gibt es Streit um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der britische Premier David Cameron soll für den Fall einer Ernennung des ehemaligen luxemburgischen Regierungschefs sogar mit einem EU-Austritt seines Landes gedroht haben. Auch der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, mit denen Merkel in Schweden gleichfalls zusammen kam, sehen eine Berufung Junckers skeptisch.

Der Streit überschattete das Treffen in Harpsund, bei dem es eigentlich um die Frage ging, wie die EU sich in den kommenden fünf Jahren inhaltlich ausrichten soll. Merkel sagte zu der Personaldebatte, es gebe „eine ganz klare Verhaltens- und Vertragssituation“. Zunächst sollten die Staats- und Regierungschefs bis Ende Juni einen Vorschlag für die Kommissionsspitze machen und dann müsse dieser im Juli eine Mehrheit im Parlament finden.

Der neue EU-Kommissionspräsident soll erstmals unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Europawahl vom EU-Parlament gewählt werden. Die Parteifamilien schickten daher europaweite Spitzenkandidaten ins Rennen - für die konservative Europäischen Volkspartei (EVP) war es Juncker. Cameron bekräftigte in Harpsund, er sei gegen eine zwingende Ernennung des Spitzenkandidaten der erfolgreichsten Parteienfamilie. „Als demokratisch gewählte Spitzenpolitiker in Europa sollten wir diejenigen sein, die entscheiden, wer sich für diese EU-Institution bewirbt, anstatt einen neuen Ablauf zu akzeptieren, zu dem es niemals eine Einigung gab.“

Cameron, dessen Partei bei der Europawahl ein schweres Debakel erlebte, will sein Land unabhängiger von den Entscheidungen in Brüssel machen; Juncker steht hingegen für eine stärkere europäische Integration. Auch Reinfeldt zweifelte an der Legitimität der Kandidatur Junckers. Rutte forderte, alle Beteiligten sollten sich zunächst auf inhaltliche Forderungen an die neue Kommission konzentrieren. „Erstens brauchen wir eine Entscheidung, was die nächste Kommission tun muss. Erst dann werden wir entscheiden, wer den Führungsposten übernehmen sollte“, so der niederländische Premier.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy betonte seinerseits, der Konflikt um die Kommissionsspitze sei keine Angelegenheit zwischen Deutschland und Großbritannien. „Es gibt keinen Konflikt zwischen Deutschland und Großbritannien“, sagte Van Rompuy am Dienstag in Brüssel. Es müsse nun eine Lösung gefunden werden, die nicht nur einen Posten einschließe, sondern auch andere EU-Spitzenpositionen.

EU-Vizekommissionschef Olli Rehn drängte unterdessen auf eine rasche Entscheidung über den nächsten EU-Kommissionspräsidenten. „Wir können keine Zeit mit internen institutionellen Kämpfen verschwenden“, sagte der Liberale, der künftig Finnland als EU-Abgeordneter vertritt, am Dienstag in Brüssel. Es müsse nun an Wirtschaftsreformen der nächsten Kommission gearbeitet werden.

Neben der Diskussion um den Kommissionsvorsitz gab es eine Einigung vier Regierungsspitzen auf eine gemeinsame Linie im Kampf gegen Sozialmissbrauch in der EU. Es sei richtig, dass es Europa seinen Bürgern erlaube, überall in der Union zu arbeiten, sagte Cameron. Diese Freiheit dürfe aber nicht missbraucht werden, um „unrechtmäßig von den Sozialsystemen zu profitieren“. Gemeinsam wollten sie erreichen, dass die EU sich in der Frage „als Antwort auf die Sorgen der Wähler“ verändere.