Schwabinger Kunstfund

Taskforce: Matisse‘ „Sitzende Frau“ aus Gurlitt-Besitz ist Raubkunst

Symbolfoto
© REUTERS/Dominic Ebenbichler

Die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ ist zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handelt. Wann die Familie das Kunsterwerk zurückbekomt, ist noch nicht bekannt.

München – Henri Matisse‘ „Sitzende Frau“ aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt ist tatsächlich Raubkunst. Zu diesem Schluss kommt die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“, wie das Gremium am Donnerstag mitteilte. Das Kunstmuseum Bern, das von Gurlitt als Alleinerbe eingesetzt wurde, kennt die Einschätzung der Taskforce, nimmt aber keine Stellung, sagte Sprecherin Ruth Gilgen auf Anfrage.

Wie Matisse‘ „Sitzende Frau“ genau in die Sammlung von Gurlitts Vater Hildebrand kam, könne nicht mit letzter Sicherheit dokumentiert werden, räumte die Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel am Donnerstag ein. Das Gremium komme aber zum Schluss, „dass es sich bei dem Werk um NS-Raubkunst aus dem rechtmäßigen Eigentum der Sammlung von Paul Rosenberg handelt“.

Derzeit niemand für die Sammlung zuständig

Die Erkenntnis der Taskforce bringt den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg derzeit nicht viel. Seit dem Tod Gurlitts am 6. Mai in München gibt es nämlich niemanden, der wirklich für die millionenschwere Sammlung zuständig ist.

Das Kunstmuseum Bern hat noch immer nicht entschieden, ob es die Sammlung - und alle damit verbundenen Verpflichtungen - haben will. Vielleicht wird es in rund einem Monat eine Entscheidung fällen. „Anfang Juli wird es die nächste Information geben“, sagte die Museumssprecherin. Das Museum hat sechs Monate Zeit, um über Annahme oder Ablehnung der Erbschaft zu entscheiden. Zuletzt entschied das Museum Anfang Juni, einen Rechtsbeistand beizuziehen, um die vielen offenen Fragen zu klären.

Endgültige Entscheidung liegt in den Händen der Erben

Die Taskforce will ihr Gutachten über die „Sitzende Frau“ dem Amtsgericht München als zuständigem Nachlassgericht zukommen lassen, wie die Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel sagt. Es soll dann „im Anschluss Grundlage für die Entscheidung über eine Restitution an die Erben von Paul Rosenberg sein“.

Diese endgültige Entscheidung liege ausschließlich in der Hand von Gurlitts Erben, betont sie, und dass Gurlitt, der Sohn von Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, sich kurz vor seinem Tode bereiterklärte, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen. Das heißt, dass er von den Nazis geraubte Bilder an die rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben wollte. „Diese Verpflichtung bindet auch seine Erben“, sagt Berggreen-Merkel.

Aus Görings Sammlung über Umwege in Gurlitts Besitz

Doch das alles kann dauern. Dabei sah es noch im März so aus, als seien Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg, eine New Yorker Anwältin, und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, endlich am Ziel. Dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nazis geraubt, befand sich das Bild einst im Besitz von Hermann Göring, bevor es später - über Umwege - in die Sammlung Gurlitt gelangte. Nach jahrzehntelangem Kampf standen die Enkelinnen kurz vor der Übergabe des Bildes. Dann allerdings meldete sich ein weiterer Anspruchsteller, und die Übergabe fand nicht statt.

Henri Matisse (1869-1954) malte das Bild „Sitzende Frau“ um das Jahr 1924 herum. Es handelt sich um ein Ölgemälde auf Leinwand - 55,4 Zentimeter hoch und 46,5 Zentimeter breit. Es zeigt eine dunkelhaarige Frau in einem geblümten Kleid mit Perlenkette, die auf einem braunen Sessel sitzt.

Durch Zufall auf Sammlung gestoßen

Sie trägt ein Kopftuch und hat die Hände, in denen sie einen Fächer hält, in den Schoß gelegt. Die Lostart-Datenbank listet das Bild als Teil des Schwabinger Kunstfundes unter der Identifikationsnummer „Lost Art-ID 477894“ auf. Nach dem Tod von Hildebrand Gurlitt, einem angesehenen Kunsthändler im Dritten Reich, gelangte dessen Sammlung in den Besitz seines Sohn Cornelius, der die Bilder in seiner Wohnung aufbewahrte.

Erst wenige Jahre vor seinem Tod kamen die Behörden durch Zufall auf Cornelius Gurlitts Spur. In der Schwabinger Wohnung des älteren Herrn stieß die Polizei auf eine umfangreiche Bildersammlung, die zunächst als Weltsensation gefeiert wurde. Von millionenschweren Bildern war die Rede, aber auch von Raubkunst. Wie wertvoll die Sammlung wirklich ist, wird inzwischen kontrovers diskutiert. Die Herkunft der Bilder wird von einer Taskforce geklärt. (APA/dpa/sda)