Frankreich hat endlich wieder einen Mörder
Prähistorische Kulturstätten und kulinarische Köstlichkeiten: Zum Glück ist Martin Walkers Polizeichef Bruno erneut auf Verbrecherjagd.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck –Je raffinierter die Verbrechen, umso größer die Lust, endlich wieder die Koffer für den Frankreichurlaub zu packen. Wenn der schottische Autor, Historiker, Ökonom und Journalist Martin Walker seinen Polizeichef Bruno auf Mörderjagd schickt, wird Frankreich lebendig. Ob vollmundiger Wein, Schweinekotelett und Tarte Tatin, prähistorische Höhlen oder die Vogelwelt des lieblichen Tals der Vézère: Walker setzt mit jedem Buch der „Bruno“-Reihe dem Périgord und damit seiner Wahlheimat ein neues (literarisches) Denkmal.
Im nunmehr sechsten Fall mit dem Titel „Reiner Wein“ ermittelt der sympathische und tüchtige Polizeichef Bruno – der wie viele Figuren Walkers reale Personen als Vorbild hat –, gleich auf mehreren kriminellen Baustellen. Bruno muss einen Mord im Homosexuellenmilieu und eine Reihe von Antiquitäteneinbrüchen aufklären und zudem Licht ins Dunkel eines jahrzehntealten Eisenbahnraubs und eines politischen Nachkriegsgeheimnisses bringen.
Walkers Verbrechen sind, wie nicht anders zu erwarten, wieder äußerst delikat und raffiniert, ein bisschen grausam und natürlich mit gesellschaftspolitischem Hintergrund. Dass fast wie nebenbei Walker ein Stück Geschichte Frankreichs mit einarbeitet, macht die Lektüre wie auch in den vorhergegangenen „Bruno“-Fällen einzigartig und liefert die Grundlage für Bestsellerquoten. Diesmal widmet sich Walker einem für die meisten Nichtfranzosen unbekannten Überfall auf einen Geldtransport, bei dem 1944 Résistance-Kämpfer Milliarden alter Francs erbeuten konnten, die aber nachher in geheimnisvollen Kanälen verschwunden sind. Weil historische Sachbücher eben nicht jedermanns Lieblingslektüre sind, verdanken die treuen Bruno-Fans Walker so einiges. Erstens können sie sicher sein, dass Walker als Autor zahlreicher Sachbücher, u. a. über den Kalten Krieg, historisch Belegbares aufleben lässt, und zweitens, dass diese in einer Leichtigkeit herüberkommen, die Geschichte zum Lesevergnügen macht. Dass das Thema Frauen den chef de police bei seinen neuesten Ermittlungen besonders beschäftigt, macht den Fall nochmals um einiges schöner. Brunos Zerrissenheit zwischen der feurigen Inspectrice Isabelle und seiner englischen Liebe Pamela zieht sich als emotionaler Faden über 416 Seiten. Wer Walkers Périgord-Liebeserklärungen mehr als einmal gelesen hat, kann nur mantraartig wiederholen: So klug die Verbrechen und deren Auflösung konstruiert sind, so wunderbar ist auch das Drumherum. Allein Bruno und seinen Freunden beim Aufzählen der kulinarischen Köstlichkeiten, die auf dem Teller landen sollen, zuzuhören, macht glücklich. Wer sich dazu der Vorstellung hingibt, entlang der verwunschenen Ufer der Vézère frühmorgens dahinzureiten oder im Garten eines Landhauses auszuspannen, wird sich schwertun, Frankreich nicht auf seine Urlaubsliste zu setzen. Schade nur, dass Bruno doch irgendwann verlauten muss „Es ist vorbei“ und nun die lange Zeit des Wartens kommt. 2015 ist es hoffentlich wieder so weit für die wunderbarste literarische Mischung aus Krimi, Liebesroman, Geschichtsbuch, Reise- und Kulinarikführer. À bientôt, Bruno!
Krimi Martin Walker: „Reiner Wein, Der sechste Fall für Bruno Chef de police“. Diogenes Verlag, 416 Seiten,23,60 Euro.