Internationale Pressestimmen zur Krise im Irak
Bagdad/Paris/Kopenhagen (APA/dpa) - Internationale Medien kommentierten die Krise im Irak am Freitag folgendermaßen:...
Bagdad/Paris/Kopenhagen (APA/dpa) - Internationale Medien kommentierten die Krise im Irak am Freitag folgendermaßen:
„Times“ (London):
„US-Drohnen und Kampfhubschrauber, die den Vormarsch der Kämpfer der ISIS (Islamischer Staat im Irak und in der Levante/ISIL) hätten aufhalten können, werden jetzt verspätet in den Irak geschickt. In dieser Krise können die westlichen Regierungen nicht so schüchtern sein, wie sie es bei Syrien waren. Sie müssen der Regierung in Bagdad helfen, die irakische Armee stärken, Anführer der Terroristen ins Visier nehmen und humanitäre Hilfe anbieten. Es war ein schwerer Fehler von (US-Präsident Barack) Obama, nicht genügend Truppen im Irak gelassen zu haben, um die dort um einen so hohen Preis errichtete Demokratie zu festigen. Der Irak braucht auch eine neue Führung, die die verschiedenen Gruppen eint, anstatt sie gegeneinander aufzubringen.“
„Neue Zürcher Zeitung“ (Zürich):
„(Ministerpräsident Nuri al-)Maliki hatte es im Anschluss an den Abzug der Amerikaner in der Hand, das Land nach den blutigen Kriegsjahren zu einen. Doch statt zu staatsmännischer Größe zu wachsen, bunkerte sich Maliki ein und setzte alles daran, den Sunniten zu zeigen, wer der neue Herr im Haus ist - die Schiiten. Mit seiner verfehlten Politik hat Maliki die Extremisten stark gemacht. Doch noch ist es nicht zu spät, dass sich die verschiedenen Volksgruppen an einen Tisch setzen. Die strittigen Punkte sind seit langem klar: eine gerechte Verteilung der Macht und der Erdöleinkünfte sowie die gegenseitige Anerkennung der Opfer. Gelingt dies nicht, so ist die Gefahr gross, dass der Irak in viele kleine Teile zerfällt, in denen Warlords das Sagen haben.“
„De Telegraaf“ (Amsterdam):
„Ministerpräsident Nuri al-Maliki trägt einen Großteil der Verantwortung für das Chaos in seinem Land, denn er ist korrupt und er bevorteilt seine eigene Bevölkerungsgruppe, die Schiiten, gegenüber der sunnitischen Minderheit. Nun muss er mit eingezogenem Schwanz nach Washington. Er möchte, dass die USA die Rebellen mit Luftangriffen zurückdrängen. Aber Präsident Obama zögert. Es ist noch nicht lange her, dass al-Maliki die USA brüskierte, in dem er den Abzug aller amerikanischen Truppen aus dem Irak wünschte. Jedoch muss sich auch Obama an die eigene Nase fassen. Seine berühmte Zurückhaltung, bei der auch selbst gezogene rote Linien ignoriert werden, ermutigt radikale Strömungen im Nahen Osten. (...) Wem es egal ist, was in „Weit-Weg-Istan“ passiert, der sei gewarnt: ISIL, die ein islamistisches Kalifat zwischen Mittelmeer und Euphrat errichten will, hat eine enorme Anziehungskraft für radikale westliche Muslime. Im Gegensatz zu Al-Kaida, die aus Angst vor Infiltration ihre Ränge geschlossen hält, empfängt ISIL neue Rekruten mit offenen Armen.“
„Le Figaro“ (Paris):
„Den Amerikanern wirf man ständig entweder Untätigkeit oder Einmischung vor. Doch ihre Niederlagen sind eher das Ergebnis mangelnder Voraussicht und Beständigkeit. Frankreich hat die Gefahren im Irak schon frühzeitig erkannt, hat jedoch in Libyen und zu Syrien auch nicht besser gehandelt, und muss sich weiterhin mit einer gefährlichen Ansammlung von Jihadisten im Sahel auseinandersetzen. Bei diesen Kämpfen von Sunniten gegen Schiiten, und von Rebellen gegen die Zentralregierungen, hat der Westen nur Feinde. Wir müssen wohl oder übel einen globalen Krieg gegen den Terror führen.“
„Politiken“ (Kopenhagen):
„Der größte Albtraum des Westens ist Realität, und von überall in Europa strömen heilige Krieger in den Irak, um an dem Kampf teilzunehmen und das militärische Training zu bekommen, das sie einst in Afghanistan bekommen haben. (...) Die Vorstellung, dass der Westen militärisch in den Irak zurückkehrt, ist weder realistisch noch wünschenswert. Der Weg nach vorn könnte sein, Druck auf die schiitische Regierung in Bagdad auszuüben und sie dazu zu bekommen, die sunnitische Minderheit des Landes einzubeziehen. Nur mit ihrer Hilfe können die extremistischen Gruppen gebrochen werden.“
„Corriere della Sera“ (Mailand):
„Der Irak kollabiert. Drei Jahre nach dem Rückzug der Amerikaner scheint die Einheit des Landes bis zu den Wurzeln bedroht. Der Vormarsch der sunnitischen Fundamentalisten Richtung Bagdad geht weiter, ohne dass es der schiitischen Regierung von Nuri al-Maliki gelingt, dem einen wirklichen Widerstand entgegensetzen zu können. Dass Maliki nicht den Notstand ausrufen kann, ist ein schwerer Schlag für den immer stärker desorientierten Führer, der immer ohnmächtiger und unfähiger ist bei seinem Versuch, die drohende Auflösung des nationalen Zusammenhalts zu stoppen. Teheran bleibt an seiner Seite. Und es sind die Kurden im Irak, die von dem Chaos nun profitieren.“