Bagdads Kampfvorbereitungen - „Die Liebe zum Land treibt in Armee“
Bagdad (APA/AFP) - Seine frisch angetraute Ehefrau wollte Hisham Issa Kamel davon abhalten, in den Kampf zu ziehen. „Aber ich habe nicht auf...
Bagdad (APA/AFP) - Seine frisch angetraute Ehefrau wollte Hisham Issa Kamel davon abhalten, in den Kampf zu ziehen. „Aber ich habe nicht auf sie gehört“, sagt der 23-jährige Iraker. Zu stark ist sein Wunsch, sein Heimatland gegen die radikalen Jihadisten zu verteidigen, die seit Tagen weite Landesteile erobern und kurz vor Bagdad stehen.
Und so steht Kamel in Bagdad in einem Rekrutierungszentrum der Armee. Er meldet sich freiwillig zum Kampf, wie tausende seiner Landsleute.
Konfrontiert mit der Schwäche seiner Armee und der Sicherheitskräfte hatte der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki am Dienstag verkündet, seine Bürger im Kampf gegen die Jihadisten zu bewaffnen. Zur Rekrutierung der Freiwilligen schuf er einen Krisenstab. Neuen Antrieb dürfte das geistliche Oberhaupt der Schiiten, Ayatollah Ali al-Sistani gegeben haben, der die Iraker am Freitag ebenfalls zum bewaffneten Widerstand aufrief. Sistani wird von Millionen Menschen verehrt und ist beliebter als so mancher Politiker.
„Wenn ich zu Hause bleiben würde und andere zu Hause bleiben würden, wer geht dann raus, um unsere Ehre zu verteidigen?“, fragt Kamel. Im Rekrutierungsbüro im Zentrum der irakischen Hauptstadt wird er abgetastet und registriert, wie tausende weitere Iraker, dann werden sie für das Training auf Militärbasen gebracht. Dem Leiter des Rekrutierungsbüros in Bagdad, Brigadegeneral Fadhel Abdulsahib, zufolge meldeten sich in den vergangenen Tagen schon mehrere tausend Freiwillige jeden Alters.
Kamels 45-jähriger Schwiegervater Hamed Kamel Hussein ist auch gekommen. „Ich habe gehört, dass sich der Aufruf an jedes Alter richtet, also habe ich entschieden, am Kampf gegen ISIL teilzunehmen.“ In den Rekrutierungszentren in anderen Provinzen des Landes ist der Andrang ähnlich groß, wie AFP-Reporter berichten.
Die Kämpfer der ISIL, der sunnitischen radikalen Gruppe Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL/ISIS), erobern seit Tagen in Blitzgeschwindigkeit Städte und Provinzen. Die Millionenstadt Mossul und die gesamte Provinz Ninive kontrollieren sie ebenso wie weitere nördliche Städte und Regionen. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht.
Unter den Freiwilligen sind auch pensionierte Offiziere, die ihre Uniform eigentlich längst abgelegt hatten. Mohammed Mehdi Saleh war bis 2010 Offizier und auch er will jetzt wieder in den Kampf ziehen. „Ich bin bereit, all meine Erfahrungen einzubringen, um dem Land zu dienen“, sagt er. „Die Liebe zum Land ist es, die mich ein zweites Mal in die Armee treibt.“ Sein Land sei in Gefahr und er könne einfach nicht zusehen, wie es in der Hand von „Terroristen“ sei.
Den 25-jährigen Taxifahrer Anwar Riyah Jabr bewegt vor allem das Elend, das die ISIL-Kämpfer bei ihren Streifzügen hinterlassen. „Als ich diese vertriebenen Familien ohne Nahrungsmittel und Wasser gesehen habe, habe ich mich entschieden, mich als Freiwilliger zu melden.“ Das für den Einsatz gebotene Geld brauche er nicht, aber sein Land wolle er beschützen. Nach der Reaktion seiner Familie befragt sagt er: „Jeder hat mir gesagt, ich soll Gott vertrauen, denn dies ist eine historische Chance, die Extremisten zu bekämpfen.“