Irak - Im Windschatten der Jihadisten: Kurden machen Geländegewinne

Bagdad (APA/AFP) - Die Autonome Region Kurdistan im Norden des Iraks macht schon lange Gebietsansprüche gegenüber der Zentralregierung in Ba...

Bagdad (APA/AFP) - Die Autonome Region Kurdistan im Norden des Iraks macht schon lange Gebietsansprüche gegenüber der Zentralregierung in Bagdad geltend, doch noch nie waren Geländegewinne so leicht zu erzielen wie in diesen Tagen. Im Windschatten der Jihadisten, die derzeit Richtung Bagdad vorrücken, operieren kurdische Einheiten mit großer Effizienz, um ihre Autonomiegebiete auszudehnen.

Am Donnerstag vermeldeten sie, erstmals die vollständige Kontrolle über die Stadt Kirkuk übernomen zu haben. Aber das muss ja noch nicht alles sein. Die Kurden haben eine lange Tradition eigenständiger Kampfeinheiten, der Peshmerga. Diese Peshmerga-Einheiten haben derzeit ein leichtes Spiel: Die irakischen Regierungstruppen, die vor den Kämpfern der radikalsunnitischen Organisation Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL/ISIS) Reißaus nehmen, hinterlassen vielerorts ein Vakuum. Dieses füllen die Peshmerga ohne zu zögern aus.

Der Wendepunkt waren die Ereignisse vom Montag: ISIL-Kämpfer erlangten die vollständige Kontrolle über die Provinz Ninive, die an die Kurden-Provinzen Dohuk und Erbil grenzt. Die kurdischen Siedlungsgebiete sind nicht klar abgegrenzt und stimmen nicht mit den Provinzgrenzen überein. So bestehen Gebietsansprüche der Kurden in mehreren Provinzen, darunter Ninive, Diyala und Kirkuk.

„Wir haben unsere Kontrolle über Kirkuk abgesichert und warten auf den Befehl, in die von der ISIL kontrollierten Gebiete vorzudringen“, sagt der Peshmerga-Brigadegeneral Shirko Rauf. Der Gouverneur von Kirkuk, Naj al-Din Karim, selbst ein Kurde, konstatiert, die Regierungstruppen seien aus der Provinz Salaheddin und ihrer Hauptstadt Mossul abgezogen. Peshmerga-Kämpfer nähmen an ihrer Stelle die frei gewordenen Positionen ein.

Die aktuelle Krise könne den Kurden dazu verhelfen, ihre Territorialansprüche abzurunden, befindet John Drake von der Risikomanagement-Firma AKE Group. So könnten die Peshmerga ihre Stellungen bei Kirkuk ausbauen. Die Regierung in Bagdad sei in einer „extrem schlechten Position“, um daran irgendetwas zu ändern.

Doch der kurdische Publizist Asos Hardi warnt davor, die aktuellen Geländegewinne der Autonomieregion überzubewerten. „Was wird als nächstes geschehen? - Das ist das Risiko, das ist das Problem!“, sagt Hardi. Je näher die Peshmerga den Kampfgebieten zwischen Regierungstruppen und ISIL-Kämpfern kämen, umso schneller könnten sie selbst ins Feuer geraten. So war es offenbar am Donnerstag, als auf den für die Sicherheitskräfte in der irakischen Kurdenregion zuständigen Minister Jaafar Mustafa westlich von Kirkuk ein Anschlag verübt wurde, den er überlebte.

Gar nicht gut dürften die militärischen Erfolge der Jihadisten für das Geschäftsleben in der Kurdenregion sein. Wenn sich eine islamistische Gruppierung direkt „vor der Haustür“ der Kurden breitmache, sei dies für „mögliche Investoren“ abschreckend, sagt der Risikomanagement-Experte Drake. Und der kurdische Publizist Hardi hat den Eindruck, dass die derzeitigen Entwicklungen auf eine „praktische Dreiteilung“ des Iraks hinauslaufen. Das sei „nicht nur für die Kurden“, sondern für das ganze Land „sehr gefährlich“.