U-Ausschuss: Deutscher Geheimschutz ohne Verwertungsverbot
Wien (APA) - Das Parlament diskutiert derzeit über eine „Geheimschutzordnung“ zum Schutz vertraulicher Dokumente. Als Vorbild nannten SPÖ un...
Wien (APA) - Das Parlament diskutiert derzeit über eine „Geheimschutzordnung“ zum Schutz vertraulicher Dokumente. Als Vorbild nannten SPÖ und ÖVP zuletzt den Deutschen Bundestag, dessen Regeln aus dem Kalten Krieg stammen (mit Ausführungsbestimmungen aus 1975). Ein Verwertungsverbot für Medien ist darin aber nicht vorgesehen: die bloße mediale Veröffentlichung eines Geheimnisses ist nicht mehr strafbar.
GEHEIMHALTUNGSGRADE: Wie im Vorschlag der Koalition sind im Bundestag vier „Geheimhaltungsgrade“ vorgesehen, verhängt werden können sie in Deutschland aber weniger leicht. Als „streng geheim“ kann eine Information im Bundestag nur gelten, wenn sie den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden könnte. Private Geheimnisse (etwa von Firmen) können nie „streng geheim“ sein, sondern nur „geheim“ (wenn sie „schweren Schaden“ anrichten könnten) oder „vertraulich“ (wenn sie den jeweiligen Interessen abträglich sein könnten). Was in Deutschland zwar nicht „vertraulich“, „geheim“ oder „streng geheim“ ist, aber trotzdem nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, das wird als „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.
ÖFFENTLICHKEIT: Ähnlich wie in Österreich, wo Zeugenbefragungen grundsätzlich öffentlich sind, ist auch in deutschen Untersuchungsausschüssen eine öffentliche Beweiserhebung vorgesehen. Allerdings kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Außerdem legt die Geheimschutzordnung fest, dass Dokumente, die den oberen drei Geheimhaltungsstufen unterliegen (also „vertraulich“, „geheim“ und „streng geheim“), nicht öffentlich erörtert werden dürfen. Der Ausschuss-Vorsitzende muss in so einem Fall dafür sorgen, „dass sich keine unbefugten Personen im Sitzungssaal aufhalten“.
VERWERTUNGSVERBOT: Ein mediales Verwertungsverbot für geheime Unterlagen gibt es in Deutschland, anders als von der Koalition zuletzt nahegelegt, nicht. Im Gegenteil: Zwar stellt das Strafgesetzbuch (§353b) die Verletzung von Geheimhaltungspflichten auch für Abgeordnete unter Strafe. Explizit „nicht rechtswidrig“ ist seit 2012 aber die Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses durch bloße mediale Veröffentlichung. Eine Anstiftung zum Geheimnisverrat wäre aber (wie übrigens auch in Österreich) strafbar.
JUSTIZ-AKTEN: Ein eingeschränktes Verwertungsverbot gibt es in Deutschland für Ermittlungsakten der Justiz (§353d). Aus diesen Unterlagen dürfen Medien erst dann zitieren, wenn sie in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung erörtert wurden (oder wenn das Verfahren bereits abgeschlossen ist). Verboten sind aber nur wörtliche Zitate. Eine sinngemäße Berichterstattung ist möglich. 2010 wollte die deutsche Justiz österreichische Medien belangen, weil sie wörtlich aus einem deutschen Hypo-Ermittlungsakt zitiert hatten. Weil das Delikt in Österreich nicht strafbar ist und die heimische Justiz daher keine Verfahrenshilfe leistete, wurden die Verfahren aber eingestellt.
(S E R V I C E: Die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages im Internet: http://go.apa.at/1BfROCRJ )