Gesellschaft

Drogenkranken fehlen die Väter

Im vergangenen Jahr wandten sich mehr Menschen an die Suchtberatung Tirol.

Innsbruck –Von den 658 Klienten, welche die Suchtberatung Tirol im Vorjahr betreut hat, sei der weit überwiegende Teil, nämlich 80 Prozent, männlich, nur ein Fünftel weiblich. Bei den Angehörigen, die sich an die vor zwei Jahren gegründete Einrichtung wenden, sei die Verteilung genau umgekehrt, sagt Geschäftsführerin Birgit Keel. In anderen Worten: Es fehlen die Väter. Im Umgang mit Suchtkranken in einer Familie werde die Verantwortung hauptsächlich auf die Frauen (Mütter, Partnerinnen) abgewälzt.

„Väter sind sehr wohl betroffen, wenn ein Kind Drogenprobleme hat, aber sie sind oft überfordert“, berichtet der klinische Psychologe und Gesundheitspsychologe Dietmar Kamenschek. Teilweise habe das auch mit den traditionellen Rollenbildern zu tun. Männer würden auf eine Suchterkrankung in der Familie mit Aggression reagieren. Das Bagatellisieren („nicht so schlimm“), Externalisieren („nicht wir sind schuld“) der Erkrankung, Desinteresse oder die Verhängung harter Sanktionen seien bekannte Abwehrreaktionen.

Dabei, so Keel, belaste ein Suchtkranker in der Familie immer „das ganze System“ und könne auch eine Beziehung zum Scheitern bringen. Deshalb sei es notwendig, dass beide Elternteile das Kind zusammen erziehen und ihm Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksamkeit bedeute auch, gemeinsam klare Grenzen zu setzen. „Konfrontieren statt tolerieren“, laute gerade bei einer Suchterkrankung die Devise, betonten die Experten bei der Präsentation des Jahresberichts der Suchtberatung Tirol. Der vor zwei Jahren auf Initiative des Landes gegründete Verein verzeichnete im Vorjahr sowohl bei den betreuten Klienten (plus 15 Prozent) als auch bei den Angehörigen (plus 35 Prozent auf 153) Zuwächse. Birgit Keel führt diese Steigerungen auf die wachsende Bekanntheit der Suchtberatung, nicht jedoch auf ein Ansteigen des Drogenproblems zurück. Rund ein Drittel der Klienten werde von der Justiz an den Beratungsverein zugewiesen, ein weiteres Drittel komme aus Eigeninitiative, ein letztes von anderen Behörden und Ärzten. Der durchschnittliche Klient der Suchtberatung sei 27 Jahre alt und männlich.

Rund 2100 Menschen gelten in Tirol als drogenkrank. Für etwa zwei Drittel sei Cannabis die Leitdroge, sagt Keel. Das Angebot der Suchtberatung sei kostenlos und anonym, auch für Angehörige. (cm)

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