Kontroverse um das geplante Dienstleistungsabkommen Tisa
Brüssel (APA/AFP) - Nach der breiten Kritik am geplanten Freihandelsabkommen von EU und USA, TTIP, rückt ein weiterer internationaler Vertra...
Brüssel (APA/AFP) - Nach der breiten Kritik am geplanten Freihandelsabkommen von EU und USA, TTIP, rückt ein weiterer internationaler Vertrag in den Blickpunkt. Das geplante Handelsabkommen über Dienstleistungen, Tisa, wird seit vergangenem Jahr ebenfalls von EU und USA sowie 21 weiteren Staaten verhandelt - von Mexiko über Südkorea bis Pakistan.
Die EU-Kommission verspricht sich davon mehr Wachstum und neue Jobs. Kritiker werfen ihr aber vor, die genauen Inhalte geheim zu halten, und befürchten weitreichende Nachteile.
Worum geht es bei Tisa?
Tisa steht für „Trade in Services Agreement“, also ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Es werden laut EU-Kommission „eine Marktöffnung und strenge Vorschriften für den Dienstleistungshandel“ sowie Rechtssicherheit angestrebt. Grundsätzlich würden sämtliche Branchen einbezogen, zum Beispiel Informations- und Kommunikationstechnologie, Logistik und Verkehr sowie Finanz- und Unternehmensdienstleistungen. Die Kommission misst dem Abkommen hohe Bedeutung bei, da der Dienstleistungssektor fast drei Viertel der EU-Wirtschaftsleistung und -Beschäftigung ausmache.
Was erhoffen sich Bundesregierung und EU-Kommission?
Das deutsche Wirtschaftsministerium nennt als Ziele, „den Marktzugang im Dienstleistungssektor zu verbessern“ und „Standards zu erhöhen und zu vereinheitlichen“. EU-Handelskommissar Karel De Gucht erklärte 2013, „Wachstum und Beschäftigung werden von dem neuen Abkommen enorm profitieren“. Sowohl Berlin als auch Brüssel hoffen zudem, dass ins Stocken geratene Gespräche innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) über ein Dienstleistungsabkommen wieder angestoßen werden.
Welche Kritik gibt es?
Die grundsätzliche Kritik bezieht sich wie bei TTIP auf die Tatsache, dass viele Verhandlungsdetails nicht öffentlich bekannt sind. Weder Parlamentarier noch verschiedene Interessenvertreter würden ausreichend informiert, bemängelt Tanja Buzek vom EU-Verbindungsbüro der Gewerkschaft Verdi auf AFP-Anfrage. Nicht einmal das konkrete Verhandlungsmandat der Kommission sei veröffentlicht. „Wir müssen uns auf das Wort der EU-Kommission verlassen.“
Das Bundeswirtschaftsministerium betont dagegen, die Verhandlungen „finden nicht geheim statt“ und Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft würden ebenso wie Bundestag und Bundesrat regelmäßig informiert.
Welche Folgen befürchten Kritiker durch Tisa?
Eine Hauptsorge betrifft die öffentliche Daseinsvorsorge. Das Bundeswirtschaftsministerium versichert zwar: „Es ist nicht Inhalt oder Ziel der Tisa-Verhandlungen, öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren.“ Die Daseinsvorsorge werde von Tisa-Verpflichtungen ausgenommen; zudem werde für diesen Bereich „von Deutschland auch keine Verpflichtungen zur Marktöffnung übernommen“.
Die Kritiker sind dennoch alarmiert. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnt, Tisa könne auch die kommunale Wasserversorgung betreffen. Der Deutsche Städtetag beharrt darauf, dass kommunale Daseinsvorsorge und soziale Dienstleistungen explizit von dem Abkommen ausgeschlossen werden. Verdi-Expertin Buzek stört sich allerdings auch an dem Plan, die ausgeklammerten Bereich in einer abschließenden Liste festzuhalten. „Alles, was da nicht drinsteht, ist weg“, könne also nicht mehr geschützt werden. Das gelte auch für Sektoren, die erst noch entstehen.
Gibt es noch weitere Bedenken?
Sorgen machen den Kritikern auch sogenannte Standstill- und Ratchet-Klauseln. Sie könnten vorsehen, dass privat organisierte Bereiche nicht wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt werden dürfen. Linksfraktionsvize Klaus Ernst warnt, die „Rekommunalisierung als Korrektur neoliberaler Exzesse“ werde ausgeschlossen. Das Wirtschaftsministerium widerspricht auch hier: Ob solche Klauseln vereinbart würden, sei noch offen - und sie würden jedenfalls „nicht für den Bereich der Daseinsvorsorge“ gelten.
Darüber hinaus warnt der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold beispielsweise vor einer Aufweichung des Schutzes von Kontodaten. Wie bei TTIP sorgen außerdem Pläne für einen sogenannten Investitionsschutz für Unmut - dieser könnte es Firmen ermöglichen, Umsätze einzuklagen, die ihnen wegen neuer gesetzlicher Regelungen entgehen. Der Verdi-Expertin Buzek fehlen darüber hinaus „klare und durchsetzbare Richtlinien“ zum Schutz der Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor.