Ein Jahr in der EU 1 - Neuerliche Skepsis in Kroatien

Zagreb (APA) - Ein Jahr nach dem EU-Beitritt fällt die Bilanz für Kroatien verheerend aus. Die Stimmung im Land signalisiert genauso wie die...

Zagreb (APA) - Ein Jahr nach dem EU-Beitritt fällt die Bilanz für Kroatien verheerend aus. Die Stimmung im Land signalisiert genauso wie die wirtschaftlichen Kennzahlen, dass Kroatien der einzige neue EU-Mitgliedsstaat ist, der aus dem Beitritt kein Kapital schlagen konnte. Politisch hat der 4,3 Mio. Einwohner zählende Staat in Brüssel kaum Gewicht: Der mitunter negative Eindruck relativiert sich aber im Detail.

„Kroatien hat das Pech, dass in einem Jahr Mitgliedschaft alles schlechter geworden ist“, sagte der Philosoph und politische Analytiker Zarko Puhovski. „Es wäre falsch zu sagen, dass die EU schuld daran sei, obwohl die Menschen dazu neigen, das zu glauben“, betonte Puhovski. „Leute, die vor eineinhalb Jahren den EU-Beitritt befürwortet haben, sind heute skeptisch. Skeptisch nicht in dem Sinn, dass sie gegen die EU sind, sondern dass sie anders über die EU denken. Die Begeisterung ist weg“, konstatiert der Universitätsprofessor.

Zu der aufgekommenen Skepsis habe die Erkenntnis beigetragen, dass die kroatische Regierung nicht reif genug war, das Meiste aus der EU herauszuholen, sagte Puhovski. Kroatien als eines der ärmsten Länder der EU zahlte in der Mitgliedschaft sozusagen drauf, wie Zahlen aus dem 1. Quartal 2014 belegen. So verzeichnete Zagreb in den ersten drei Monaten etwa durch den Wegfall der Zölle 1,16 Mrd. Kuna (153,14 Mio. Euro) weniger Mehrwertsteuereinnahmen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die Nachricht, wonach Kroatien wenig Mittel aus den EU-Fördertöpfen abschöpft, sorgte für Empörung, wurde von der EU-Kommission jedoch dementiert. Kroatien habe von 858 Mio. Euro, die zwischen 2007 und 2013 zur Verfügung standen, lediglich 186 Mio. bezogen, schrieb im Mai die Zeitung „Jutarnji list“. Laut Kommission aber erhielt Kroatien 314,8 Mio. Euro, wobei dieser Förderungsfonds noch bis Ende 2016 geöffnet bleibt und Projekte im Wert von knapp 600 Mio. Euro genehmigt wurden.

Die aussichtslose wirtschaftliche Lage und hohe Arbeitslosigkeit bringt immer mehr Menschen auf den Gedanken, woanders ihr Glück zu suchen. Das ist kein neues Phänomen in Kroatien, wie die Sozialforscherin Caroline Hornstein-Tomic bestätigt. „Es ist noch zu früh, um auszuwerten, ob der EU-Beitritt an sich einen substanziellen Einfluss auf das Migrationsgeschehen gehabt hat“, so die Wissenschaftlerin am Zagreber Institut für Sozialforschung Ivo Pilar.

Kroatien sei ein „klassisches Auswanderungsland“, jedoch würde viel mehr über die Migration geredet, als sie tatsächlich stattfände. „Die Migration hat sich fortgesetzt, die Karrieremigration folgte der Fluchtmigration der 1990er Jahre, aber es ist bisher kein massiver Braindrain zu erkennen“, so Hornstein-Tomic. „Die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ist sicher die beste Möglichkeit, Migration zu verhindern“, stellte die Wissenschaftlerin fest.

Kroatien, schon das sechste Jahr in der Rezession, befindet sich im EU-Defizitverfahren und muss seine öffentlichen Finanzen in Ordnung bringen. Laut der Konjunkturprognosen des Wirtschaftsinstituts Zagreb (EIZ) wird die Wirtschaft auch heuer um 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) schrumpfen und erst 2015 um etwa 0,7 Prozent des BIP wachsen. Die EIZ-Experten warnen, dass Kroatien dringend Strukturreformen durchführen müsse, die sich vor allem auf den öffentlichen Apparat beziehen.

Gerade mit diesem öffentlichen Apparat hadert die Privatwirtschaft auch nach dem EU-Beitritt. „Die Prozeduren wurden zwar verbessert, aber ideal ist es noch nicht“, sagt Sasa Cvetojevic, kroatischer Jungunternehmer und Geburtshelfer zahlreicher kroatischer Start-ups. Ein Unternehmen zu gründen sei nicht schwer, eines zu erhalten jedoch schon. „In anderen Ländern gibt es Unternehmenszentren, die Hilfestellung leisten, in Kroatien nicht. Hier gibt es alle möglichen Kammern, Ministerien und Agenturen, die praktisch täglich Gesetze, Gebühren und anderes ändern. Firmen können damit nicht Schritt halten und vor allem die kleineren leben in der Angst vor Strafen“, schilderte Cvetojevic. „Gerade diese Rechtsunsicherheit schreckt ausländische Investoren ab. Nicht die Steuern, sondern diese Haltung: Heute kannst du, morgen nicht“, so der Unternehmer.