Das Verfahren zur Wahl des EU-Kommissionspräsidenten

Brüssel (APA) - Das Verfahren zur Wahl des EU-Kommissionspräsidenten ist im Lissabon-Vertrag festgelegt. Demnach wird der EU-Kommissionschef...

Brüssel (APA) - Das Verfahren zur Wahl des EU-Kommissionspräsidenten ist im Lissabon-Vertrag festgelegt. Demnach wird der EU-Kommissionschef erstmals vom Europäischen Parlament gewählt. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben das Vorschlagsrecht, aber kein Land kann alleine ein Veto einlegen.

Artikel 17 des EU-Vertrags schreibt vor: „Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament.“ Bevor der Rat einen Kandidatenvorschlag macht, müssen außerdem „Konsultationen“ zwischen Vertretern des EU-Parlaments und dem Ratspräsidenten geführt werden.

Für eine qualifizierte Mehrheit sind im Rat mindestens 260 von 352 Stimmen und mindestens 15 EU-Staaten erforderlich. Die EU-Staaten haben bei Abstimmungen je nach ihrer Größe unterschiedlich viele Stimmen - Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien haben jeweils 29 Stimmen, Ungarn hat zwölf Stimmen, Österreich zehn.

Auf Wunsch kann ein Land sogar beantragen, dass bei einer Abstimmung mindestens 62 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert sein muss. Dieses Prinzip der doppelten Mehrheit stellt einen zusätzlichen Sicherheitsmechanismus dar, der ein Land vor Verletzung wichtiger nationaler Interessen schützen soll, aber bisher nicht zur Anwendung kam.

Im konkreten Fall heißt dies, dass der britische Premier David Cameron mit einer Koalition von kleineren, skeptischen Staaten wie den Niederlanden und Schweden noch keine Sperrminorität gegen den EVP-Kommissionskandidaten Jean-Claude Juncker zustande bringen würde. Zur Verhinderung Junckers bräuchte Cameron einen großen Verbündeten wie Deutschland, Frankreich oder Italien.

Im Europäischen Parlament wird der EU-Kommissionspräsident dann mit absoluter Mehrheit gewählt. Dies bedeutet, dass mindestens 376 der 751 Abgeordneten für ihn stimmen müssen. Sollte der Kandidat nicht die erforderlichen Stimmen erhalten, muss der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs binnen eines Monats einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Auch nach dem früheren Nizza-Vertrag wäre die Ernennung des EU-Kommissionspräsidenten mit qualifizierter Mehrheit im Rat und einem Zustimmungsvotum des Europaparlaments möglich gewesen. Allerdings haben die Staats- und Regierungschefs bisher auf eine Kampfabstimmung über den Kommissionspräsidenten verzichtet und eine Entscheidung im Konsens getroffen.

Zwei deutsch-französische Favoriten fielen dem Widerstand Großbritanniens zum Opfer: 1994 verhinderte der damalige britische Premier den Belgier Jean-Luc Dehaene. 2004 weigerte sich der damlige britische Regierungschef Tony Blair, den Belgier Guy Verhofstadt zum EU-Kommissionspräsidenten zu machen.

(Grafik 0762-14, Format 134 x 98 mm)