Serbiens Präsident sorgt erneut für Verwirrung
Belgrad (APA) - Serbiens Präsident Tomislav Nikolic sorgt mit umstrittenen Äußerungen im eigenen Land und im Nachbarland Bosnien-Herzegowina...
Belgrad (APA) - Serbiens Präsident Tomislav Nikolic sorgt mit umstrittenen Äußerungen im eigenen Land und im Nachbarland Bosnien-Herzegowina erneut für Wirbel. Die jüngsten Äußerungen des früheren Ultranationalisten über Bosnien stehen im krassen Gegensatz zu jenen des serbischen Regierungschef Aleksandar Vucic.
In einem Gespräch mit dem bosnisch-serbischen TV-Sender RTRS erklärte Nikolic am Sonntagabend, dass in den vergangenen 20 Jahren (seit dem Krieg 1992-1995, Anm.) „kein Klebestoff“ aufgetaucht sei, der Bosnien zusammenhalten könnte. Einen solchen Klebestoff gebe es gar nicht, zeigte sich der Staatschef Serbiens, welchem laut der Verfassung Repräsentationsaufgaben zufallen, überzeugt.
Serbiens Ministerpräsident Vucic, dessen erste Auslandsreise symbolisch nach Sarajevo führte, ist da anderer Meinung. „Niemand kann Bosnien-Herzegowina vernichten“, beteuerte Vucic bei seinem Besuch Anfang Mai. Seine Regierung verfolge klar eine Politik der Unterstützung für die Gebietseinheit und Souveränität Bosniens. Es gebe keine Änderungen und Abweichungen davon, versicherte der Ministerpräsident am Dienstag gegenüber der Tageszeitung „Danas“. Die Regierungspolitik sei völlig klar und präzise, so Vucic, dessen außenpolitische Standpunkte binnen weniger Wochen schon zum zweiten Mal seitens des Staatschefs infrage gestellt wurden.
Während des Besuches von Vucic am 11. Juni bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, welche die Unterstützung bei den Bemühungen Serbiens um die Aufnahme in die Europäische Union versprach, hatte Nikolic in Serbien den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko mit Sohn empfangen.
„Wir haben erneut eine schizophrene Außenpolitik bekommen“, wurden die außenpolitischen Differenzen zwischen dem Staats- und Regierungschef von Aleksandar Popov, dem Leiter der nicht-staatlichen Igman-Initiative, gegenüber „Blic“ kommentiert. Die Frage, ob es sich bloß um mangelnde Koordination zwischen Nikolic und Vucic oder aber ein bewusstes Doppelspiel handeln würde, konnte er nicht beantworten. Die Igman-Initiative ist ein in den 1990er Jahren gegründetes Gremium nicht-staatlicher Organisationen am Westbalkan.
Nikolic und Vucic hatten ihre politische Laufbahn beide in den frühen neunziger Jahren in der ultranationalistischer Serbischer Radikalen Partei (SRS) des nunmehrigen in Den Haag Angeklagten Vojislav Seselj gestartet. Beide stiegen damals rasch zu seinen engsten Mitarbeitern auf. 2008 trennten sie sich von Seselj, um die proeuropäische Serbische Fortschrittspartei (SNS) zu bilden. Bis Mitte 2012, als er zum Staatspräsident gewählt wurde, wurde diese von Nikolic geführt. Die Rolle des neuen starken Mannes der Partei übernahm Vucic.
Der frühere Chef geriet bald völlig in seinen Schatten von Vucic nicht nur wegen des Altersunterschiedes - Nikolic ist 62, Vucic 43 - sondern wohl auch des Ausbildungsunterschieds. Dem Bautechniker Nikolic, der vor wenigen Jahren den Titel Diplom-Manager erwarb, steht ein sprachgewandter, gut ausgebildeter Jurist gegenüber. Auch wenn er die EU-Annäherung seines Landes unterstützt, kann Nikolic nie verbergen, dass seine große Liebe eigentlich anderswo liegt - in Moskau. Seine einstige Partei SRS war in den 1990er Jahren gar um ein Bündnis der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien mit Russland und Weißrussland bemüht.