„News of the World“-Abhörskandal: Schuldspruch für Ex-Chefredakteur
Andy Coulson wurde in London wegen der Abhörpraktiken des ehemaligen britischen Boulevardblatts schuldig gesprochen. Seine Vorgängerin
London – Im Prozess um die Abhörpraktiken des eingestellten britischen Boulevardblatts „News of the World“ ist der frühere Chefredakteur Andy Coulson am Dienstag in mindestens einem Punkt schuldig gesprochen worden. Seine Vorgängerin auf dem Posten, Rebekah Brooks, wurde in dem Verfahren in London hingegen in allen elf Anklagepunkten freigesprochen. Coulson droht nun eine Haftstrafe.
Nach einem monatelangen Verfahren am Londoner Strafgerichtshof Old Baileys befand die elfköpfige Jury, Coulson habe von den illegalen Abhörmaßnahmen gewusst und sie toleriert. Der Urteilsspruch der Jury fiel nach mehrtägigen Beratungen, der Prozess ging über 130 Verhandlungstage.
Der Abhörskandal hatte hohe Wellen geschlagen, im Juli 2011 zur Schließung des Boulevardblattes geführt und Coulson zum Rücktritt von seinem späteren Posten als Pressesprecher von Premierminister David Cameron gezwungen. Letzteres gab der Affäre um das Abhören von mehr als 600 Mobiltelefonen besondere Brisanz.
Coulson hatte im April zugegeben, die Bestechung eines Polizisten gebilligt zu haben. Der Vorfall liegt elf Jahre zurück: Damals bat der damalige Palastreporter Clive Goodman um Zustimmung, einem Polizisten ein Telefonbuch der Königsfamilie für tausend Pfund (heute etwa 1250 Euro) abkaufen zu dürfen. Trotz der Warnung, dies könne die Betroffenen auf die Anklagebank bringen, gab Coulson nach eigenen Angaben grünes Licht.
Der 46-Jährige verließ die „News of the World“ im Jahr 2007, nachdem Goodman wegen des Abhörens von Promi-Telefonaten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Er fand im Kommunikationsteam von Cameron einen neuen Job. Da der Skandal und die Praktiken der Zeitung die Öffentlichkeit weiter beschäftigten, sah sich Coulson im Jahr 2011 zum Rücktritt als Camerons Kommunikationschef gezwungen. (APA/AFP/dpa)
Der Abhörskandal um das Murdoch-Imperium
Der Skandal um illegale Abhörpraktiken bei britischen Zeitungen aus dem Imperium von Rupert Murdoch schwelt bereits seit 2005. Damals hatte Scotland Yard erste Ermittlungen aufgenommen. Unter anderem musste 2007 der damalige Chefredakteur der Boulevardzeitung „News of the World“, Andy Coulson, zurücktreten.
Der heutige Premierminister David Cameron machte ihn dennoch zu seinem PR-Berater und schließlich 2010 zum Regierungssprecher. Der Skandal kam 2011 richtig ins Rollen, als der Fall Millie Dowler bekanntwurde. Die Reporter hatten neben Schauspielern, Mitgliedern des Königshauses und Politikern auch die Mailbox des ermordeten Kindes angezapft und durch das Löschen von Nachrichten dessen Eltern den Eindruck vermittelt, die Vermisste könnte noch leben.
Ein Aufschrei ging durch Großbritannien. Reporter, Chefredakteure und nicht zuletzt Verlagschefin Rebekah Brooks standen am Pranger. Die Polizei nahm ranghohe Personen der Medienszene, darunter auch Brooks und Coulson, vorübergehend fest. Rupert Murdoch (82) musste zweimal vor Ausschüssen aussagen. Am 10. Juli 2011 stellte Murdoch die Skandalzeitung „News of the World“ ein. Die angestrebte Reform des britischen Presserechts ist noch immer nicht vollendet. (APA/dpa)