Iran versetzt Truppen an Grenze zu Irak in Alarmbereitschaft
Nach Druck von US-Außenminister Kerry wollen die verfeindeten Politiker im Irak schneller als erwartet eine neue Regierung bilden. US-Militärberater prüfen nun die Leistungsfähigkeit der Armee.
Bagdad – Im Kampf gegen die extremistische ISIS-Miliz haben die ersten US-Militärberater ihre Arbeit im Irak aufgenommen. Die 40 vor einigen Tagen in das arabische Land verlegten Soldaten sollen Stärken und Schwächen der irakischen Streitkräfte prüfen. Unterstützung erhielten sie von 90 Kollegen, die am Dienstag in der Hauptstadt Bagdad eintrafen.
ISIS ist seit zwei Wochen im Irak auf dem Vormarsch Richtung Bagdad und hat weite Teile im Norden und Westen des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Nach Angaben der Vereinten Nationen töteten die Terroristen im Juni mindestens 1.075 Menschen. Die meisten waren Zivilisten. Die USA drängen angesichts der Gebietsgewinne der Milizen und ihres brutalen Vorgehens zur Eile.
Irakische Armee erobert Raffinerie zurück
Bei Luftangriffen der irakischen Armee auf den von extremistischen ISIS-Milizen kontrollierten Ort Baiji sind 16 Menschen getötet worden. 30 weitere Menschen wurden verletzt, wie am Mittwoch aus irakischen Sicherheitskreisen verlautet. Medienberichten zufolge steht der Ort rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad unter vollständiger Kontrolle des Islamischen Staat im Irak und in der Levante (ISIS). Offenbar gelang es der Armee, die strategisch wichtige Ölraffinerie in Baiji wieder von den extremistischen ISIS-Milizen zurückerobert. Elite-Einheiten der Armee hätten alle Zufahrten zur Raffinerie nach Kämpfen mit ISIS-Terroristen unter vollständige Kontrolle gebracht, meldete der staatliche TV-Sender Al-Iraqiya am Mittwoch unter Berufung auf lokale Sicherheitskräfte.
Regierungsbildung am 1. Juli
Nach Gesprächen mit Politikern der verfeindeten Volksgruppen der Schiiten, Sunniten und Kurden gab US-Außenminister John Kerry bekannt, dass das irakische Parlament am kommenden Dienstag (1. Juli) mit der Regierungsbildung beginnen wolle. Zunächst sollen der Parlamentssprecher und danach der Präsident sowie der Ministerpräsident gewählt werden.
Das politische Schicksal des umstrittenen bisherigen Regierungschefs Nuri al-Maliki bleibt unklar. Dessen Allianz für den Rechtsstaat wurde bei der jüngsten Parlamentswahl zwar mit 92 von 328 Sitzen stärkste politische Kraft im Parlament, kann aber ohne Koalitionspartner nicht regieren. Mehrere Politiker, darunter zuletzt der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Massud Barsani, forderten Al-Maliki zum Rücktritt auf. Kerry wollte dies nicht kommentieren.
Nach den Worten eines US-Regierungsbeamten wollen die Kurden wieder den Präsidenten, die Schiiten den Ministerpräsidenten und die Sunniten den Parlamentssprecher und Vizepräsidenten stellen. Bisher hätten sich die Parteien allerdings nicht auf die Kandidaten einigen können. Möglich ist, dass sich die Schiiten auf einen anderen Kandidaten als Al-Maliki verständigen werden.
US-Militärschlag gegen die ISIS möglich
Umkämpft war zuletzt vor allem eine der größten irakischen Ölraffinerien in Baiji. Der rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad gelegene Ort ist strategisch bedeutsam. Vom dortigen Kraftwerk werden Bagdad und weite Teile des Landes mit Strom versorgt. An anderen Orten bekommt das irakische Militär offenbar Hilfe von der syrischen Armee. Arabische Medien berichteten, syrische Kampfflugzeuge hätten den Ort Al-Kaim auf irakischer Seite des gemeinsamen Grenzgebietes angegriffen. Dabei seien mindestens 18 Menschen getötet und mehr als 90 verletzt worden.
Kerry präzisierte unterdessen Äußerungen zu einem möglichen US-Militärschlag gegen die ISIS im Irak. Ein solcher Angriff sei ohne eine neue irakische Regierung „komplett und total unverantwortlich“. Es könne nicht „einfach ein paar Schläge“ geben, ohne dass diese durch eine irakische Regierung und das dortige Militär unterstützt werden könnten, sagte Kerry in einem Interview dem TV-Sender CBS. US-Präsident Barack Obama behalte sich einen Militärschlag für den Notfall dennoch vor. Am Vortag hatte Kerry zu verstehen gegeben, dass ein Militärschlag auch während der Regierungsbildung möglich sei.
Iran versetzt Truppen an Irak-Grenze in Alarmbereitschaft
Der Iran hat seine Truppen an der Grenze zum Irak in Alarmbereitschaft versetzt. Grund dafür sei der jüngste Vormarsch der sunnitischen Terrormiliz ISIS im Nachbarland, sagte Armeesprecher Ali Arasteh am Mittwoch nach einem Bericht der Nachrichtenagentur ISNA. Der Iran hat eine 1450 Kilometer lange Grenze zum Irak. In dem Konflikt steht der Iran auf der Seite der Regierung in Bagdad.
Am Dienstagabend sind nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr drei iranische Polizisten in der Nähe der Grenze zum Irak von bisher unbekannten Tätern getötet worden. Der Vorfall ereignete sich demnach in der Nähe von Taze-Abad, im Nordwesten des Landes. Die Agentur zitiert eine mit Fall befasste Person, wonach es unwahrscheinlich sei, dass die Terrororganisation ISIS für den Anschlag verantwortlich sei. (APA/dpa/AFP)