1914/2014 - Kriegszerstörtes Rathaus von Sarajevo in altem Glanz
Sarajevo (APA/dpa) - Jetzt erstrahlt das beeindruckende Rathausgebäude wieder im neomaurischen Stil. Die Serben hatten das bedeutendste Symb...
Sarajevo (APA/dpa) - Jetzt erstrahlt das beeindruckende Rathausgebäude wieder im neomaurischen Stil. Die Serben hatten das bedeutendste Symbol der bosnischen Hauptstadt zu Beginn ihrer Belagerung Sarajevos 1992 zerbombt. Nach 18-jährigem Wiederaufbau ist jetzt innen und außen alles wie neu. Am Samstag wird es mit einem Galakonzert der Wiener Philharmoniker eingeweiht.
100 Jahre vorher - am 28. Juni 1914 - hatte der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand das Rathaus besucht, bevor er wenig später von dem serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen wurde. Der Mord brachte den Ersten Weltkrieg ins Rollen.
An dem in neuem Glanz erstrahlenden architektonischen Prachtstück - vom österreichischen Architekten Alexander Wittek entworfen und 1896 zum ersten Mal eingeweiht - entzündet sich aber auch neuer Streit. Als der Bürgermeister im Mai zur inoffiziellen Eröffnung lud, mussten Hunderte Spezialpolizisten eine wütende Menschenmenge vom Gebäude fernhalten. Die Demonstration war eine Nachwehe der sozialen Aufstände vom Februar, als im ganzen Land Zehntausende verarmter Bürger protestierten und Regierungsgebäude in Flammen aufgingen.
Österreich-Ungarn, das Bosnien-Herzegowina 1878 besetzt und 1908 ganz einverleibt hatte, wollte mit dem Rathaus die muslimische Vergangenheit Sarajevos unterstreichen. Denn bis dahin waren Stadt und Land vom Osmanischen Reich beherrscht worden. Sarajevo galt mit seinen Moscheen, türkischen Bädern, Gästehäusern, Karawansereien, Bibliotheken und dem Basar als die osmanischste Stadt Europas.
Diese einzigartige Kulturlandschaft wurde brutal zerstört. Zuerst durch den österreichischen Heerführer Prinz Eugen im Jahr 1697. Zum zweiten Mal durch die über dreijährige Belagerung und Zerbombung durch serbische Armee und Freischärler Mitte der 1990er Jahre. Im Feuersturm 1992 verbrannten über zwei Millionen Bücher und Dokumente in dem Gebäude, das seit 1949 als Unibibliothek diente.
Das Rathaus wurde zu einem echten europäischen Projekt. Zuerst habe Österreich Geld zur Sicherung der Kriegsruine bereitgestellt, berichtet die Aufbau-Koordinatorin der Stadt, Vildana Jakic. Es folgten die EU mit 2,2 Millionen Euro, Spanien mit der Hälfte dieser Summe. Hauptstädte der Region wie Budapest, Prag und Ljubljana brachten ebenfalls mehrere Hunderttausend Euro auf.
Ein Glücksfall für die Restauratoren seien 950 vom ursprünglichen Architekten unterschriebene Bleistiftskizzen der Baupläne, die in Zagreb ausfindig gemacht werden konnten, erzählt Jakic weiter. In der ungarischen Porzellan-Manufaktur Zsolnay fand man handgemalte Muster für die ursprünglichen Keramikkacheln des Innenraumschmucks. Das Unternehmen lieferte auch die neuen Fayencen.
Aber über die Zukunft des Gebäudes gibt es immer noch ein Tauziehen. Die Universität will ihre frühere Bibliothek ebenso zurück wie die Stadtverwaltung. Geplant ist jetzt ein „historischer“ Ratssaal und ein Festsaal für protokollarische Empfänge. Der Nationalbibliothek soll nur Platz zur Ausstellung ihrer wertvollsten Bücher eingeräumt werden. Ein kleines Museum zur Geschichte des Gebäudes ist im Souterrain vorgesehen.
Die Räume sollen auch privat vermietet werden, denn das Rathaus muss sich selbst tragen. Es seien keine Budgetmittel eingeplant, sagt Koordinatorin Jakic. Wichtig sei, dass die Bürger das geplante Restaurant nutzen könnten. Doch wenige Tage vor dem Eröffnungsfestakt informiert ein Spruchband die Bürger, dass sie „weder heute noch in absehbarer Zukunft“ das Rathaus besuchen können. Es bleibe bis auf weiteres eine Baustelle mit Zutrittsverbot.