EU-Kreise - South-Stream-Ausnahme nur bei EU-Konformität denkbar
Wien/Brüssel/Moskau (APA) - Die EU-Kommission ist zu Gesprächen über eine allfällige Ausnahmeregelung für die von Russland forcierte South-S...
Wien/Brüssel/Moskau (APA) - Die EU-Kommission ist zu Gesprächen über eine allfällige Ausnahmeregelung für die von Russland forcierte South-Stream-Gaspipeline nur dann bereit, wenn es bei dem Projekt eine EU-rechtskonforme Vorgangsweise gibt. Das bekräftigen EU-Kommissionskreise. Die bisherigen in Brüssel bekannten bilateralen Abkommen seien „in etlichen Punkten nicht mit EU-Binnenmarkt-Recht kompatibel“, wird betont.
Heuer im Frühjahr wurde zum Thema South Stream eine Arbeitsgruppe der EU mit Russland gegründet - es gab aber lediglich zwei Expertensitzungen im März und April, dann zog Moskau wegen des Brüsseler Widerstands gegen das Leitungsvorhaben gegen das Dritte EU-Energie-Binnenmarktpaket vor die Welthandelsorganisation WTO, und es eskalierte obendrein die Krim-Krise. Seither „steht alles“, erklären mit der Sachlage im Detail vertraute Kreise in Brüssel.
Eigentlich sollten die Arbeitsgruppen-Ergebnisse die Grundlage bilden für Neuverhandlungen der bilateralen Verträge der russischen Seite mit ihren Partnern in den Ländern, durch die die Gasleitung führen soll. Die EU-Wettbewerbshüter wollen, dass Gaslieferant und Pipeline-Eigentümer getrennt sind, bei South Stream würde aber der russische Staatskonzern Gazprom dominieren.
„Einigt man sich auf eine EU-konforme Vorgangsweise bei der South Stream, könnte man über eine Ausnahmeregelung reden“, heißt es in Brüssel dazu. Bisher hätten die Betreiber des South-Stream-Projekts aber diesbezüglich nie angefragt. Als Beispiel einer Sondergenehmigung wird etwa die Trans Adriatic Pipeline (TAP) genannt, die von der griechisch-türkischen Grenze über Albanien nach Süditalien führen und einen Zugang für kaspisches Gas zu den Märkten in Europa schaffen soll.
„Wir bestehen da drauf, dass diese Pipeline unter der Geltung des EU-Rechts operiert, und wenn es Ausnahmeregelungen gibt, dann müssen die auch über die Regelungen, wie sie im EU-Recht vorgesehen sind, erwirkt werden“, betonte Klaus-Dieter Borchardt von der GD Energie der EU-Kommission in einem Statement zur South Stream für die „ZiB2“ des ORF-Fernsehens am Dienstagabend.
Bei der South Stream hätte auch die heimische Regulierungsbehörde Energie-Control ein Wort mitzureden, da das letzte Teilstück von der ungarischen Grenze nach Baumgarten (NÖ) ja über österreichischen Boden führen soll - am Dienstag unterzeichneten die Chefs von Gazprom und OMV, Alexej Miller und Gerhard Roiss, in Wien einen Vertrag über den Bau.
Ein Antrag auf eine Ausnahme vom dritten EU-Energiepaket, das zur Liberalisierung des Gasmarktes eine Trennung von Produktion und Transport vorsieht, müsste „national“ kommen, also vom Joint Venture „South Stream Austria GmbH“ von OMV und Gazprom - die sich ja auch die Errichtungskosten von 200 Mio. Euro für das Teilstück 50:50 aufteilen wollen -, erklärt E-Control-Vorstand Walter Boltz dazu. Die Regulierungsbehörde würde die Causa dann an die EU-Kommission weiterleiten. Im konkreten Fall haben die Russen möglicherweise die Angst, dass ein ähnliches Schicksal wie bei der Opal-Leitung (Ostsee-Pipeline-Anbindung) droht, wo sie selbst nur die Hälfte nutzen können. Dabei gebe es eine fast fertig ausverhandelte Ausnahmeregelung für Opal, so Boltz, doch liege das Thema seit der Krim jetzt einmal auf dem Tisch von EU-Energiekommissar Günther Oettinger.
OMV und Gazprom erwarten die entsprechenden Baugenehmigungen bis Ende 2015 - in Österreich solle South Stream Ende 2016 in Betrieb gehen und erste Gasmengen liefern, hieß es am Dienstag seitens der beiden Partner. Baumgarten soll damit zum größten Knoten für Russland-Gas in Europa werden, es geht da um eine Leitungskapazität von 30 bis 32 Mrd. m3 jährlich.
Ihre volle Kapazität soll die gesamte South Stream laut Gazprom 2018 mit 63 Mrd. m3 jährlich erreichen. Zum Vergleich: Aktuell liefert Russland jährlich rund 150 bis 160 Mrd. m3 Gas in die EU, die 2013 knapp über 500 Mrd. m3 Gesamtverbrauch aufwies - an die 150 Mrd. m3 davon produzieren die Mitgliedsstaaten selbst, gut 100 Mrd. m3 steuert das nicht der Union angehörende Norwegen bei, etwa 50 Mrd. m3 jährlich resultieren aus LNG (Liquid Natural Gas). Nach Österreich wurden seit 1968 mehr als 187 Mrd. m3 russisches Erdgas geliefert, davon 5,2 Mrd. m3 im Jahr 2013, der heimische Jahresgesamtbedarf liegt bei rund 8 Mrd. m3.
Für die europäischen Industriekunden wäre die South Stream „gut“, weil sie ein vollständiger „Bypass“ neben der Ukraine wäre und damit die mit dem Transit durch den russischen Nachbarn verbundenen Risiken beseitigen würde, sagte der Sonderbeauftragte Simon Blakey von Eurogas, dem Branchenverband der europäischen Gasproduzenten und -lieferanten, am Dienstag vor österreichischen Journalisten in Brüssel. „The more pipes the better“, brachte er die Sichtweise der Industrie auf den Punkt. Andererseits wäre damit jedoch auch das letzte potenzielle Druckmittel Kiews gegen Moskau weg, und die allgemeine Ansicht sei doch, dass man politisch den „Freund Ukraine“ unterstützen müsse. Doch schon heute wäre es möglich, die Ukraine-Transite an russischen Gasexporten von der Hälfte auf 10 bis 15 Prozent zu senken, wenn man wollte, so Blakey. Gazprom habe eigentlich schon seit Jahren in ihrer Planung damit „gerechnet“, dass der Ukraine-Transit irgendwann einmal wegfallen könnte, wird in europäischen Regulatorkreisen eingeräumt.
Die South Stream zahlen werde wohl Gazprom, vermutet der Eurogas-Experte, denn auch die bisherigen Gaspipelines seien alle durch die Supplier finanziert worden. Die Kosten für die Länge von 2.380 km wurden bisher auf 25 Mrd. Euro geschätzt. Ideen, dass in der EU künftig der Erwerb russischen Gases über nur einen Käufer gebündelt werden könnte, um mit einer stärkeren Marktmacht gegenüber Moskau auftreten zu können - wie dies Polens Premier Donald Tusk angeregt hatte - erteilt Blakey eine Absage: Das würde den Wettbewerb aushebeln und keinen Sinn machen. Auch Boltz von der E-Control hält eine für die gesamte EU gedachte Einkaufsgemeinschaft für „illusorisch“ und womöglich sogar „kontraproduktiv“; denkbar wäre aber eine Pool-Lösung für kleine, wirtschaftlich und politisch schwache Länder wie etwa die baltischen Staaten, die ja sogar zu 100 Prozent von Russen-Gas abhängig sind. Das seien nämlich Länder, für die Erdgas nicht eine Frage des Preises, sondern schlicht des Überlebens sei, wie Olivier Lebois vom Verband Europäischer Gas-Fernleitungsnetzbetreiber (ENTSO-G) in Brüssel zu verstehen gab.
In der Generaldirektion Energie der EU-Kommission wird die hohe Importabhängigkeit Europas als „ziemliches Problem“ angesehen, „die wir in den Griff bekommen wollen“, unterstrich Borchardt von der GD Energie am Dienstag im Gespräch mit Journalisten aus Wien. Insgesamt hänge der europäische Energieverbrauch zu 53 Prozent von Importen ab, bei Öl seien es 88 Prozent - und bei Gas 66 Prozent, dabei allerdings zu 39 Prozent von Russland. Daher werde es Ende dieser Woche eine Mitteilung der Kommission zum Thema Versorgungssicherheit geben, so Borchardt. In Europa sollte die Eigenproduktion erhöht werden, und man solle an neue Quellen wie Schiefergas „nicht ideologisch herangehen“ und „nicht von vornherein Nein sagen, ehe man sich die Möglichkeiten nicht näher angesehen hat“.
~ ISIN AT0000743059 WEB http://www.gazprom.com/
http://www.e-control.at ~ APA198 2014-06-25/10:52