Polen: Abhöraffäre brachte Pragmatiker Tusk in die Defensive

Warschau (APA/dpa) - Einst war er der Stürmer und Kapitän der Fußballmannschaft des polnischen Parlaments, doch zuletzt ist der Warschauer R...

Warschau (APA/dpa) - Einst war er der Stürmer und Kapitän der Fußballmannschaft des polnischen Parlaments, doch zuletzt ist der Warschauer Regierungschef Donald Tusk vor allem als Defensivspieler aufgefallen. In der Abhöraffäre um private Treffen seiner Minister versuchte er zunächst, die Probleme auszusitzen.

Mit der Vertrauensfrage, mit der er die Opposition am Mittwoch überraschte, trat der blonde Kaschube die Flucht nach vorne an. Widerstände hat der 57-jährige seit jeher durch Hartnäckigkeit überwunden. Er gilt als eher spröde und pragmatisch. Der Danziger wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon als Schüler solidarisierte er sich mit den Werftarbeitern, die im Dezember 1970 gegen das kommunistische Regime auf die Straße gingen. Im Jahr 1980 gehörte er zu den Mitbegründern der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnosc“ an der polnischen Ostseeküste.

Auch während des Kriegsrechts engagierte sich Tusk, damals Geschichtsstudent, für die verbotene Gewerkschaft - obwohl er im Gegensatz zu seinen Kommilitonen bereits verheiratet und Familienvater war und als Bäckereiverkäufer und Arbeiter jobbte, um seine Familie zu ernähren.

Nach dem Ende des Kommunismus in Polen gehörte Tusk zunächst der linksliberalen Freiheitsunion an, bis er 2001 die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) gründete, an deren Spitze er bis heute steht. Seit 2007 ist Tusk polnischer Regierungschef und schaffte es 2011 als erster Ministerpräsident Polens seit 1989, für eine zweite Amtszeit bestätigt zu werden. Während seiner Regierungszeit verbesserte sich das Verhältnis zu Deutschland.

Mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel verbindet Tusk sogar ein freundschaftliches Verhältnis. Tusk spricht fließend Deutsch - die Sprache lernte er als Kind von seiner kaschubischen Großmutter.

Schon seit längerem wurde über einen Wechsel Tusks nach Brüssel spekuliert, etwa als Nachfolger von EU-Kommissionschef Barroso. Tusk selbst betonte bisher, er wolle sich bis zu den nächsten Parlamentswahlen im Herbst 2015 auf die polnische Politik konzentrieren. Auch seine eher mäßigen Englischkenntnisse könnten ihm den Weg zu einem hohen EU-Posten verbauen.