LKW-Fahrverbot ist greifbar
Europarechtler Walter Obwexer glaubt, dass etwaige Klagen gegen das sektorale Fahrverbot von der EU abgewiesen würden. Kritik und Lob für Tempo 100.
Von Anita Heubacher
Innsbruck – Ab Herbst dieses Jahres gilt auf Teilen der Inntal- und der Brennerautobahn Tempo 100. Ein Jahr darauf, im November 2015, will Tirol das sektorale Fahrverbot wieder einführen. „Ich gehe mit großer Sicherheit davon aus, dass das sektorale Fahrverbot hält“, erklärt Walter Obwexer, Europarechtler an der Universität Innsbruck.
Das sektorale Fahrverbot erspart den Tirolern bis zu 200.000 Lkw-Fahrten im Jahr, weil bestimmte Güter nur noch per Bahn durch Tirol transportiert werden dürfen. Diese Verkehrsbremse kann Tirol nur einführen, wenn für Pkw Tempo 100 gilt und schadstoffreiche Lkw nicht fahren dürfen. „Das war für mich nie ein Kniefall. Die EU ist ein Rechtsstaat und es ist unsere Pflicht, das Urteil zu erfüllen“, meint Obwexer. Insgesamt dreimal ist das sektorale Fahrverbot gekippt worden. „Dieses Mal hat Tirol gute Karten, weil es alles getan hat, was die EU-Generalanwältin gefordert hat.“
Zwar will Obwexer nicht ausschließen, dass wieder eine Klage gegen das sektorale Fahrverbot eingebracht wird. „Ich gehe aber davon aus, dass sie abgewiesen würde.“ Dass die Landesregierung drei Jahre verstreichen ließ, bis sie Tempo 100 einführt, habe „die Glaubwürdigkeit Österreichs vordergründig in Mitleidenschaft gezogen“. Dennoch lasse sich die Verspätung gut argumentieren. „Der Widerstand gegen Tempo 100 in der Bevölkerung war einfach groß.“
Aus diesem Grund gab die schwarz-grüne Landesregierung noch einmal ein Gutachten in Auftrag. Es sollte klären, ob Tempo 110 nicht auch ausreichen würde. Die Anwort des Studienautors Jörg Thudium von Ökoscience in der Schweiz: Nein. Tempo 100 reduziert die Schadstoffe um bis zu zehn bis 15 Prozent. Damit ist Tempo 100 Spitzenreiter. Nicht einmal das sektorale Fahrverbot kann da mit minus drei Prozent Reduktion mithalten. Völlig abgestunken ist Tempo 110. Es bringt weniger als der derzeit geltende Lufthunderter.
Was Tempo 100 erst recht, aber auch der Lufthunderter kann, ist die Unfallhäufigkeit zu reduzieren. 2007 als noch keine Tempobremse galt, gab es auf der Inntal- und Brennerautobahn 234 Unfälle, 344 Verletzte und fünf Tote. Ein Jahr später mit Lufthunderter reduzierte sich die Zahl der Unfälle auf 178, die Zahl der Verletzten auf 287 Verletzte, die Zahl der Toten war mit sieben höher.
Gegen Tempo 100 haben sich gestern erneut die FPÖ und die Liste Fritz ausgesprochen. Letztere bezweifelt, ob Tirol trotz Tempo 100 das sektorale Fahrverbot wieder zurückbekommen wird. Beide Parteien kritisieren den „politischen Kuhhandel“ Tempo 100 gegen Kraftwerke.
Ab auf die Bahn
Sektorales Fahrverbot: Im Dezember 2011 kippte der Europäische Gerichtshof das sektorale Fahrverbot. Aber nicht als solches. Die Güter, die nur noch per Bahn, transportiert werden dürfen, wurden akzeptiert. Tirol müsse aber gelindere Mittel sprich Tempo 100 und Fahrverbote für schadstoffreiche Lkw erlassen.
Bahnaffine Güter: Müll, Steine, Erden, Aushub, Holz, Pkw, Stahl, Fliesen, Marmor und Getreide sollten nur noch per Bahn transportiert werden. Europarechtsexperte Obwexer geht davon aus, dass die Liste noch verlängert werden könnte.
Weniger Schadstoffe: Das sektorale Fahrverbot reduziert laut Ökoscience die Schadstoffe um drei Prozent, Tempo 100 bis zu 15 Prozent.