Zurück in die Windeln - „Vader“ von Peeping Tom in Salzburg
Salzburg (APA) - Ein offener, durchaus gemütlicher Raum im Seniorenheim. Alte Menschen in Windeln, wie Kinder heulend. Ein skurriles Rennen ...
Salzburg (APA) - Ein offener, durchaus gemütlicher Raum im Seniorenheim. Alte Menschen in Windeln, wie Kinder heulend. Ein skurriles Rennen im Rollstuhl, Suppe-Essen, Hintern-Putzen, Kleider-Wechseln - das Panoptikum des Altwerdens rückt bedrohlich nahe und berührt das Publikum der Salzburger Sommerszene im republic. Das Festival aktueller Bühnenkunst wurde gestern, Mittwoch, mit „Vader“ von Peeping Tom eröffnet.
Wie schon in „Le salon“, mit dem die belgische Theatertruppe 2007 den „Young Directors Award“ der Salzburger Festspiele gewonnen hat, zeichnet Peeping Tom auch in „Vader“ (Übers. „Vater“) ein krasses Bild familiärer Gefüge und der Unvermeidbarkeit des menschlichen Verfalls. Verwirrungen, Peinlichkeiten, Sehnsüchte, Selbstverletzung, Fürsorge und eine Riesenportion Wut - unterdrückt oder herausplatzend - sind die tragenden Gefühle in diesem Altersheim, das uns grinsend winkt, wie das Amen im Gebet.
Stark, wie sich die Hauptfigur zur Gänze im Klavier verkriecht und damit die sentimentale Erinnerung zum Lebensinhalt erhebt. Witzig, wie die Jugend im Kochtopf gegart, krass, wie autoritär mit Heiminsassen umgesprungen wird. „Vader“ versteht sich als erster Teil einer Trilogie - Vater, Mutter, Kind - und auch in den folgenden Produktionen wird es um die Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten des Menschseins gehen.
Formal kombiniert das aus der Needcompany hervorgegangene Kreativ-Duo Gabriela Carrizo und Franck Chartier in „Vader“ Bausteine aus englischer Sprache mit eigenwillig interpretierten Schlager-Klassikern, die im tollpatschigem Play-back einer Rentnerband sarkastisch-hilflos und eindringlich zugleich wirken. Dazu kommen ein aufwendiges, großes Bühnenbild, ein eigener Soundtrack, konventionell gespieltes Theater und virtuoser Ausdruckstanz. Grandios, wie da auf Knien über die Bühne gewirbelt oder ein sich wurmartig windender Körper mit einem Besen unter den Tisch gekehrt wird. Dazwischen sinnieren, träumen, putzen, essen oder sterben betagte Statisten, die das Team von Peeping Tom in Salzburg rekrutiert hat. Auch das trägt diese drastisch-gnadenlose Performance über das Altwerden noch ein Stück näher zu den Zuschauern, ohne dabei die Würde des Bühnenpersonals oder des Alters an sich zu verletzen. Kraftvolle Bühnenkunst zum Auftakt der Sommerszene.
Bis zum 5. Juli stehen dort unter anderem Premieren von Mette Edvardsen, Andrea Maurer, Roger Bernat, Anne Teresa De Keersmaeker und Rosas, den Rabtaldirndln mit ihrer mobilen Ambulanz, Ivana Müller, Tino Sehgal, Doris Uhlich oder Maria Jerez auf dem Programm. Die meisten der Szene-Produktionen 2014 sind in Österreich noch nie gezeigt worden.
(S E R V I C E - http://www.szene-salzburg.net, 0662 / 84 34 48.)