Grazer Projekt erforscht Lebenswege von Besatzungskindern

Graz/Wien (APA) - Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen österreichweit „Besatzungskinder“ zur Welt: nach Liebesbeziehungen zwischen Österreicheri...

Graz/Wien (APA) - Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen österreichweit „Besatzungskinder“ zur Welt: nach Liebesbeziehungen zwischen Österreicherinnen und Besatzungssoldaten, kurzen Affären, aber auch Vergewaltigungen. Viele suchen noch immer ihre Väter, einige waren ihr ganzes Leben mit Diskriminierung konfrontiert. Einblicke in ihr Schicksal gibt eine Veranstaltung des Grazer LBI für Kriegsfolgenforschung am 2. Juli.

Auf rund 20.000 schätzt Barbara Stelzl-Marx die Zahl jener Kinder, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Müttern alleine in Österreich blieben, während ihre Väter ihren Kriegsdienst beendet hatten und in die Heimat zurückkehrten. Sie untersucht gemeinsam mit der Universität Leipzig, wie die betroffenen Kinder mit ihrem speziellen Schicksal fertig wurden.

„Viele wissen heute noch immer nicht, wer ihr Vater war oder kennen nur den Namen, oft waren sie von einer Mauer des Schweigens, von Tabuisierung und Lügen umgeben“, so die Grazer Zeithistorikerin. Im Zuge des von ihr geleiteten und vom Zukunftsfonds der Republik geförderten Forschungsprojektes haben sich bis Ende des Vorjahres österreichweit an die 100 Menschen im Grazer LBI gemeldet, die bereit waren, in schriftlichen Interviews ihre Erfahrungen als „Kinder des Krieges“ zu schildern.

„Die Spurensuche über diese ‚unsichtbare Generation‘ soll das vielfach bis heute tabuisierte Thema der Öffentlichkeit zugänglich machen und eine Lücke in der Zeitgeschichteforschung schließen“, betonte die Zeithistorikerin und stellvertretende Institutsleiterin. „Speziell Kinder ‚farbiger‘ französischer Besatzungsangehöriger oder ‚schwarzer‘ GI hätten eine Angriffsfläche für rassistische, ideologische und moralische Vorurteile geboten, so die Historikerin. „Wir wollen herausfinden, wie die eigene Kindheit wahrgenommen wurde, wie das aktuelle psychisches Befinden der Betroffenen ist und inwiefern das eine mit dem anderen zusammenhängt.“ Noch sei man mit der Auswertung der Fragebögen beschäftigt. Eine Publikation will man im Frühjahr 2015 vorlegen.

Bereits 2012 hat Stelzl-Marx zur Thematik eine Tagung in der Diplomatischen Akademie in Wien organisiert. Damals lernte sie die südsteirische Biobäuerin Steirerin Gitta Rupp kennen, die wie so viele andere Tagungsbesucher auf der Suche nach ihrem Vater war. Ihre Schwester hat sie mittlerweile gefunden - sie ist Bürgermeisterin der neuseeländischen Hauptstadt Wellington. Auf Initiative von Rupp und Stelzl-Marx werden einige der ehemaligen Kinder in Form einer Lesung am 2. Juli im Grazer Rathaus Einblick in ihre schriftlich niedergelegten Erinnerungen geben.

( S E R V I C E - „Genug geschwiegen. Österreichische Besatzungskinder schreiben über ihre Geschichte“, Lesung im Grazer Rathaus, 18.30 Uhr. Anmeldung über das LBI für Kriegsfolgenforschung unter 0316/ 82 25 00, mailto: bik-graz@bik.a.at)