Konflikte

ISIS kurz vor Bagdad, Verwirrung um syrische Luftschläge

Die Terrorgruppe ISIS bewegt sich auf die irakische Hauptstadt zu. Syrische Kampfjets haben vergangene Woche angeblich ISIS-Stellungen in der Grenzstadt Al-Qaim bombardiert.

Bagdad – Im Irak rücken die sunnitischen Rebellen weiter vor und stehen kurz vor Bagdad. In der Nacht zu Donnerstag nahmen ISIS-Kämpfer nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Stadt Mansurijat al-Jabal ein, die nur eine Stunde von der Hauptstadt entfernt liegt. Die irakische Führung leitete unterdessen formell den Prozess zur Bildung einer neuen Regierung ein.

ISIS-Kämpfer und andere sunnitische Rebellen hätten in der Nacht ihre Offensive auf Mansurijat al-Jabal gestartet, hieß es in den Sicherheitskreisen. Auf den Erdgasfeldern rings um die Stadt sind ausländische Firmen aktiv. Auch in Mossul im Norden gingen die Kämpfe weiter. In Tikrit landeten nach Angaben aus Sicherheitskreisen drei Militärhubschrauber auf dem Universitätsgelände. Soldaten lieferten sich Gefechte mit Rebellen, die die Geburtsstadt des 2003 gestürzten Machthabers Saddam Hussein Stadt vor zwei Wochen erobert hatten.

Verwirrung um angebliche syrische Luftschläge

Für Verwirrung sorgte ein Bericht des britischen Senders BBC, der den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki mit den Worten zitierte, die syrische Luftwaffe habe sich in den Konflikt im Irak eingeschaltet. Ihre Kampfflugzeuge hätten Aufständische in der Nähe der Grenzstadt Al-Qaim bombardiert. Später korrigierte BBC das Transkript der Sendung jedoch wieder. Malikis Äußerungen bezogen sich demnach auf Einsätze innerhalb Syriens.

Die Organisation Islamischer Staat im Irak und in Groß-Syrien (ISIS) kämpft in beiden Ländern gegen die jeweilige Regierung. Sie will die von ihr kontrollierten Gebiete über die Grenze hinweg verbinden und einen Gottesstaat errichten. In den vergangenen Wochen hat ISIS im Irak große Gebiete erobert. Mehr als 1000 Menschen wurden bei den Kämpfen getötet. Mossul fiel am 10. Juni an die Aufständischen. Zwei Tage später nahmen sie Tikrit ein. Kurdische Peschmerga-Milizen rückten am 11. Juni in Kirkuk ein, vertrieben die Rebellen und kontrollieren nun die Öl-Stadt.

Die Kurden wollen nun die Ölexporte aus den von ihnen kontrollierten Gebieten deutlich erhöhen und riskieren damit einen Konflikt mit der Zentralregierung in Bagdad. Die Ausfuhren könnten bis Ende 2015 verachtfacht werden, sagte der Rohstoffminister der Autonomen Region Kurdistan, Ashti Haurami, gegenüber Reuters. Die Regierung in Bagdad lehnt eigene Ölexporte der Kurden ab. Eine Steigerung der Ölausfuhren durch die Kurden verschöbe das Kräfteverhältnis im Irak erheblich.

Hague auf Überraschungsvisite im Irak

Ohnehin ist der Irak entlang der Glaubensgrenzen gespalten. Vor allem die Sunniten, die unter Saddam das Sagen hatten, fühlen sich benachteiligt. Viele werfen der vom Schiiten Maliki geführten Regierung vor, nur die Interessen der eigenen Religionsgruppe im Blick zu haben. Der britische Außenminister William Hague betonte bei einem Überraschungsbesuch in Bagdad am Donnerstag erneut, er wünsche sich eine Einheitsregierung unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen. Ähnlich hatte sich zuvor bereits US-Außenminister John Kerry geäußert, Maliki hatte dies bisher abgelehnt.

„Der irakische Staat ist existenziell bedroht“, warnte Hague bei seiner Ankunft am Donnerstag in Bagdad nach einer Mitteilung des britischen Außenministeriums. Hague will in Bagdad mit mehreren politischen Führern über einen Ausweg aus dem Konflikt beraten. Die Offensive der Jihadisten sei auch eine „direkte Bedrohung für andere Länder in der Region“, sagte er.

Prozess zur Regierungsbildung formell eingeleitet

Die irakische Führung leitete unterdessen formell den Prozess zur Bildung einer neuen Regierung ein. Das Präsidialamt setzte für Dienstag per Dekret die erste Sitzung des Parlaments seit der Wahl im April an. Malikis Schiiten-Bündnis gewann die meisten Sitze, benötigt aber die Unterstützung anderer schiitischer Gruppen sowie der Sunniten und der Kurden, um eine Regierung zu stemmen. Maliki hatte sich dem internationalen Druck gebeugt und eine rasche Regierungsbildung zugesagt. (APA/Reuters/AFP)