Das ISIS-Dilemma: Der Iran will im Irak keinen Religionskrieg schüren
Teheran/Bagdad (APA/dpa) - Verkehrte Welt: In der Irak-Krise steht der Iran plötzlich ganz unfreiwillig auf der gleichen Seite wie der Erzfe...
Teheran/Bagdad (APA/dpa) - Verkehrte Welt: In der Irak-Krise steht der Iran plötzlich ganz unfreiwillig auf der gleichen Seite wie der Erzfeind USA. Auf der Gegenseite steht eine andere islamische Gruppierung. Das passt den schiitischen Führern in Teheran, die stets dafür plädiert hatten, dass es zwischen Schiiten und Sunniten keine Differenzen geben sollte, noch weniger in den Kram.
Denn einen „Bruderkrieg zwischen Muslimen“ darf es aus iranischer Sicht nicht geben. Diese Prinzipien stellt die sunnitische ISIS-Terrormiliz im Irak infrage.
„Der Iran als Schiitenland muss aufpassen, dass seine Unterstützung für die schiitische Regierung in Bagdad im Kampf gegen ISIS nicht als Krieg zwischen Schiiten und Sunniten ausgelegt wird“, sagt ein arabischer Diplomat in Teheran. Deswegen versucht Teheran auch, die ISIS als Fehlkalkulation der US-Politik in der Region abzustempeln. „Die haben die Amerikaner selber finanziert und nach Syrien geschickt, jetzt haben sie die Konsequenzen dieser Politik auch im Irak“, sagt Mohammed Resa Naghdi, Kommandant der Basidsh-Einheit bei den Revolutionsgarden.
Auch das Außenministerium betont immer wieder, dass Teheran die USA und den Westen schon in der Syrien-Krise mehrmals vor der Ausweitung von islamistischem Extremismus in der Region gewarnt hatte. Diese Warnung hätten die Amerikaner aber stets ignoriert. „Jetzt haben sie die selber am Hals“, sagt Außenminister Mohammed Javad Zarif.
„Die Devise lautet: mit-, aber nicht einmischen“, so ein Politologe in Teheran. Präsident Hassan Rohani habe daher der schiitischen Regierung im Nachbarland Irak seine volle Unterstützung zugesichert, bis jetzt aber jegliche militärische Zusammenarbeit ausgeschlossen. „Das ist aber angesichts des konstanten Vormarsches der ISIS im Irak nicht mehr ganz realistisch“, sagt der Politologe.
Daher haben Armee und Revolutionsgarden nicht nur den Truppenaufbau im Westen und Süden der 1450 Kilometer langen Grenzgebiete verstärkt, sondern auch die iranischen Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt. In den Irak eindringen wolle man nicht, aber eine militärische Zusammenarbeit kategorisch ausschließen auch nicht mehr.
„Wenn eine Anfrage aus Bagdad kommen sollte, dann schicken wir ihnen - im Rahmen der internationalen Vorschriften - auch militärische Logistik“, sagt Vizeaußenminister Amir Abdullahian. Die Frage, ob auch iranische Drohnen dazu gehören, will der Vizeminister nicht kommentieren. Der schiitischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon hatte der Iran im Kampf gegen Israel schon mal Drohnen geliefert.
Heikel ist auch die zwar nicht gewollte, aber in der Zwischenzeit notwendig gewordene Zusammenarbeit zwischen Teheran und Washington im Irak. Zwar wird dies im iranischen Parlament immer wieder abgelehnt, aber die beiden wichtigsten außenpolitischen Protagonisten im Iran hätten nichts dagegen. „Falls (US-Präsident Barack) Obama mich diesbezüglich anrufen sollte, könnte man darüber reden“, sagt Präsident Rohani. Sein Außenminister Zarif sieht die Irak-Krise auch als Hebel bei den Atomverhandlungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft. „Falls wir im Atomstreit nicht zu einer Einigung kommen, könnte das auch negative Auswirkungen in der Region haben“, so der Minister.