Londoner Börse nimmt Rekordzukauf in den USA in Angriff
London (APA/Reuters) - Die Londoner Börse steht vor der größten Übernahme ihrer Geschichte. Für 2,7 Mrd. Dollar (1,98 Mrd. Euro) wollen die ...
London (APA/Reuters) - Die Londoner Börse steht vor der größten Übernahme ihrer Geschichte. Für 2,7 Mrd. Dollar (1,98 Mrd. Euro) wollen die Briten den Vermögensverwalter und Index-Anbieter Russell schlucken. Durch den Zukauf des Unternehmens, das derzeit noch zum US-Versicherer Northwestern Mutual gehört, würde die London Stock Exchange (LSE) ihre Position in Amerika deutlich ausbauen.
Investoren und Analysten bewerten die Übernahme positiv. Die Aktien des Rivalen der Deutschen Börse legten sechs Prozent zu.
Für die LSE ist vor allem das Index-Geschäft von Russell interessant. Sie erhält von Finanzinstituten, die Fonds oder ETFs auf einen ihrer Indizes auflegen, Lizenzgebühren. Zudem kann die LSE die dazugehörigen Handelsdaten weiterverkaufen. Für alle Börsenbetreiber, die unter dem schwachen Börsenhandel leiden, gewinnen die Erträge aus dem Index-Geschäft an Bedeutung. Auch die Deutsche Börse hat ihr Index-Angebot deutlich ausgebaut, ihre Tochter Stoxx vermarktet mittlerweile rund 12.000 Indizes, darunter den deutschen Leitindex Dax.
Die LSE steigt durch den Zukauf im boomenden ETF-Geschäft zur Nummer drei hinter S&P Dow Jones und MSCI auf. ETFs erfreuen sich auch in Deutschland steigender Beliebtheit, da sie häufig besser abschneiden als aktiv betriebene Fonds. Zudem sind die passiven Fonds günstiger - zum Abbilden eines Indexes werden schließlich keine gut bezahlten Fondsmanager benötigt.
Um die Übernahme zu finanzieren, will die LSE mit der ersten Kapitalerhöhung ihrer Geschichte 1,6 Mrd. Dollar (1,18 Mrd. Euro) einsammeln, vermutlich im September. Zudem müssen die Wettbewerbshüter und die Aktionäre noch grünes Licht für das Geschäft geben. Nach der Übernahme will sich die LSE dann Gedanken über die Zukunft der Russell-Vermögensverwaltungssparte machen, die derzeit 256 Mrd. Dollar betreut. Analysten gehen davon aus, dass die LSE den Bereich früher oder später weiterverkauft, weil er strategisch eigentlich nicht zum Geschäftsmodell eines Börsenkonzerns passt.
Am US-Konzern Russell, der seit Jahresanfang zum Verkauf steht, waren Insidern zufolge auch die kanadische Imperial Bank of Commerce und diverse Finanzinvestoren interessiert. Finanzkreisen zufolge erwägen auch einige Banken, ihr Index-Geschäft loszuschlagen, weil die Aufsichtsbehörden den Bereich nach dem Skandal um die Manipulation des Referenzzinssatzes Libor stärker kontrollieren wollen. „Wegen Libor sehen die Regulierer genauer hin, ob es einen Interessenskonflikt gibt, wenn Anbieter den Preis vorgeben und auch Produkte anbieten“, sagte Alex Matturri, der Chef von S&P Dow Jones Indices, kürzlich im Reuters-Interview.